Interview mit dem Präsidenten der IVSS

Interview mit dem Präsidenten der IVSS

Im Oktober 2022 wurde Dr. Mohammed Azman für eine dreijährige Amtszeit zum Präsidenten der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) gewählt. In diesem Interview erzählt er von seinen Ideen für die Präsidentschaft und seinen Plänen, wie er die soziale Sicherheit in den kommenden Jahren weiter stärken will.

Was hat Sie motiviert, für das Amt des IVSS-Präsidenten zu kandidieren?

Ich glaube fest daran, dass wir, wenn wir innerhalb der internationalen Gemeinschaft kollektiv handeln, bei allen sozialpolitischen Strategien und Initiativen bessere Ergebnisse erzielen können. Zum ersten Mal erlebte ich dies als junger Mann auf meinen humanitären Einsätzen als Arzt im Kosovo, in Afghanistan und in Indonesien. Dort lernte ich, dass multilaterales Vorgehen zum Erfolg führen kann, insbesondere wenn man Menschen in Not helfen will.

Aus diesem Grund stellte ich, als ich 2015 Geschäftsführer der malaysischen Anstalt für soziale Sicherheit (Pertubuhan Keselamatan Sosial – PERKESO) wurde, unser Engagement innerhalb der IVSS stets in den Mittelpunkt und förderte es. In der Folge zeigte sich, dass der Austausch mit der IVSS-Gemeinschaft für das malaysische System der sozialen Sicherheit konkrete positive Auswirkungen hatte, insbesondere im Bereich der Rehabilitation und der Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit.

Heute folge ich demselben Leitgedanken und sehe meine Position als IVSS-Präsident als Chance, die Fachleute der sozialen Sicherheit weltweit dabei zu unterstützen, praktische Schritte für die Entwicklung tragfähiger Systeme der sozialen Sicherheit zu unternehmen. Allgemein ermöglicht mir meine neue Rolle, für viele Menschen auf der ganzen Welt umfassend positive Veränderungen anzustoßen.

Welches werden Ihre Prioritäten als IVSS-Präsident sein?

Als Präsident sehe ich es als meine erste Aufgabe, die IVSS durch das postpandemische Umfeld zu steuern, um eine widerstandsfähige und umfassende Deckung der sozialen Sicherheit von der Wiege bis ins Grab zu erreichen. Ich möchte auch alle Mitglieder der IVSS nach dem Beispiel der erfolgreichen Deckungsausweitung in Malaysia unterstützen, damit sie ihre Partner davon überzeugen können, dass Sozialschutz funktioniert und allen Bevölkerungsschichten zugute kommt.

Die soziale Sicherheit entwickelt sich zwar dynamisch weiter, aber es ist entscheidend, dass die IVSS die von meinen Vorgängern errungenen starken Grundlagen nicht aus dem Blick verliert, insbesondere nicht diejenigen, die unter der Führung von Prof. Dr. Joachim Breuer geschaffen wurden. So ist es beispielsweise mein Ziel, die Beteiligung der IVSS an renommierten globalen Foren wie den BRICS- und G20-Treffen weiter auszubauen. Und was die Agenda der sozialen Sicherheit anbelangt, so möchte ich die bestehenden internationalen Partnerschaften mit der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und der Weltbank weiter festigen.

Für mich ist es zudem wichtig, dass wir die Botschaft der sozialen Sicherheit weitertragen und das IVSS-Netzwerk durch weitere Institutionen, die noch nicht Mitglied unserer Vereinigung sind, global erweitern. Denn über die IVSS-Plattform für Wissensaustausch können wir noch mehr öffentliche Institutionen unterstützen und damit die Ungleichheiten auf der ganzen Welt verringern.

Welche Herausforderungen und Entwicklungen sehen Sie in den nächsten drei Jahren auf die soziale Sicherheit zukommen?

Die Coronapandemie hat die ungedeckten Bevölkerungsteile rund um den Globus besonders stark getroffen und die globalen Herausforderungen der sozialen Sicherheit weiter verschärft. Wir haben viel aus der Pandemie gelernt, und gleichzeitig ist unsere Rolle, die Gemeinschaften durch aufkommende Krisen zu steuern und die Rechte der Menschen im Bereich der sozialen Gerechtigkeit und der menschenwürdigen Arbeit zu verteidigen, wichtiger geworden als je zuvor.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sehe ich als gangbaren Weg, dass die Verwaltungsfachleute der sozialen Sicherheit schnell neue Technologien einführen, aber zugleich auch den menschlichen Aspekt in der Dienstleistungserbringung nicht vernachlässigen. Ich bin zuversichtlich, dass die IVSS ihre Mitglieder mit dem IVSS‑Fachausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und dem IVSS-Fachausschuss für Organisation, Verwaltung und Innovation in puncto digitale Lösungen auf dem neusten Stand halten und sie in die Lage versetzen wird, den steigenden öffentlichen Erwartungen an die soziale Sicherheit gerecht zu werden.

Außerdem dürften die in der Pandemie gemachten Erfahrungen Entwicklungen und Reformen in der sozialen Sicherheit weiter beschleunigen. Angesichts der wichtigen Rolle, welche die soziale Sicherheit während der Pandemie gespielt hat, verfügen die Institutionen der sozialen Sicherheit nun über einen erneuten und starken Auftrag der Öffentlichkeit, Deckungslücken zu verringern, angemessene Leistungen zu erbringen und für eine tragfähige Finanzierung zu sorgen, um in der nächsten Krise bestehen zu können.

Wie kann die Vereinigung dazu beitragen, die Institutionen der sozialen Sicherheit auf diesem Weg zu unterstützen?

Der Hauptauftrag der IVSS besteht darin, die Verwaltungsfachleute und Praktiker der sozialen Sicherheit mit unseren drei wichtigsten Initiativen zu unterstützen: Ausbau der Wissensbasis, Bereitstellung von Vernetzungsplattformen für Mitglieder und Voranbringen der Agenda der sozialen Sicherheit.

Die Mitgliederbasis der IVSS umfasst 322 Mitgliedsinstitutionen aus 164 Ländern und bildet so ein breites Netzwerk von Mitgliedern, die sich über praktische und gangbare Lösungen in der sozialen Sicherheit austauschen können. Wir statten die Mitgliedsinstitutionen mit einem breiten Unterstützungsnetzwerk und mit Wissensressourcen aus, mit denen sie die fachlichen Leitlinien in die Praxis umsetzen und Entscheidungsfindungsprozesse höchster Qualität aufbauen können. Ich bin mir sicher, dass die IVSS mit dem reichhaltigen Wissen ihrer Mitglieder auch weitere Institutionen auf dem Globus erreichen und ihnen ein konkretes Zeichen der Hoffnung übermitteln kann.

Außerdem möchten wir das Dienstleistungsangebot der IVSS verbessern und planen dazu, Pilotprojekte der sozialen Sicherheit sowie Innovationslabore zu starten, in denen darüber diskutiert wird, wie eine empfohlene Praxis geplant, skaliert und letztlich umgesetzt werden kann. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesen neuen Ressourcen das Wissen besser auf die verschiedenen Regionen abstimmen und die Übertragbarkeit der Strategien besser fördern können, als dies die IVSS bisher getan hat.