Die Zukunft der Arbeit ist eine Herausforderung für Systeme der sozialen Sicherheit weltweit. Die Beteiligung an Plattformarbeit oder der „Gig Economy“ ist zwar noch relativ gering – etwa ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung weltweit –, aber sie dürfte in den kommenden Jahren wohl erheblich wachsen. Das Risiko ist, dass Plattformarbeitnehmende nicht immer sozialversichert sind, sodass ein Wachstum der Plattformwirtschaft zu einer Abnahme der Finanzierung von Systemen der sozialen Sicherheit und zu einer Unterhöhlung des Sozialschutzes führen könnte.
Zunehmende Plattformarbeit: Umfang, Versicherungsschutz und gute Praktiken in den IVSS-Ländern, erstellt durch den IVSS-Fachausschuss für Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung, prüft Beispiele guter Praktiken, mit denen die Länder diese Herausforderung angehen, um angemessene Niveaus der Deckung durch die soziale Sicherheit für alle Arbeitnehmenden aufrechtzuerhalten. Belgien hat beispielsweise eine neue Kategorie von Arbeitnehmenden geschaffen, um menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Plattformarbeitnehmende zu gewährleisten. In den Vereinigten Staaten müssen Plattformen Informationen über den Verdienst von Arbeitnehmenden an die Steuerbehörden und die Behörden der sozialen Sicherheit melden, um eine angemessene Deckung sicherzustellen. In Estland müssen Uber-Chauffeure der Plattform erlauben, Einkommensdaten an die Steuerbehörden zu schicken, und bekommen dafür Erleichterungen durch eine vereinfachte Einkommenserklärung.
In dem Bericht werden fünf Arten von Maßnahmen beleuchtet:
- Datenerhebung von Plattformtätigkeiten
- Einzug der Beiträge zur sozialen Sicherheit von Arbeitnehmenden an der Quelle (d. h. von den Plattformen)
- Bewusstseinsbildung bei Plattformarbeitnehmenden über ihre Verantwortlichkeiten und Ansprüche
- Privatinitiativen zur Hebung des effektiven Deckungsniveaus
- Umgang mit grenzüberschreitenden Plattformen
In der öffentlichen Wahrnehmung wird Plattformarbeit meist mit Uber-Chauffeuren und IT Fachleuten in Verbindung gebracht, aber in Wirklichkeit umfasst diese Branche eine Vielfalt von Arbeitnehmenden, Aufgaben und Plattformen. Schon die Definition des Begriffs „Plattformarbeit“ ist problematisch, da es keine Standardkategorien gibt und einige zentrale Begriffe je nach Land ganz unterschiedlich definiert werden.
Neben der Komplexität der Plattformen selbst stellt sich auch die Frage, wie sich die Arbeitnehmenden kategorisieren lassen. Sind sie Angestellte? Sollten sie als Selbstständige betrachtet werden? Oder liegt die Lösung irgendwo dazwischen? Obwohl einige Länder sich dafür entschieden haben, für Plattformarbeitnehmende einen eigenen Status zu schaffen, bleibt es fraglich, ob vollkommen neue Arbeitskategorien nötig sind.
Dabei sollte man keinesfalls vergessen, dass die Plattformwirtschaft anders als vielleicht erwartet sowohl einfache, niedrig bezahlte Jobs als auch hoch spezialisierte, gut bezahlte Tätigkeiten umfasst. Plattformen können lokal sein – d. h. mit Bereitstellung physischer Dienstleistungen wie Transport oder Heimwerkerarbeiten – oder online, wobei dann alle Tätigkeiten über das Internet erfolgen. Für viele digitale Arbeitnehmende ist die Arbeit für eine Plattform ein Nebenjob zusätzlich zu ihrer Haupttätigkeit, was Folgen für die Beitragshöhe hat, die mit diesem Einkommen verbunden sind. Online-Plattformarbeitnehmende konzentrieren sich in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen, während ihre Nutzer sich vor allem in Ländern mit hohen Einkommen befinden.
All diese Faktoren sind bei der Anpassung von Systemen der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes in der neuen Arbeitswelt zu berücksichtigen. Während die Rentenversicherung das größte Element des Sozialschutzes sein mag, bedeutet die Gewährleistung von Deckung für Plattformarbeitnehmende auch, andere Aspekte der Sozialversicherung zu berücksichtigen, wie bezahlten Urlaub, Behinderung und Sicherheit am Arbeitsplatz.
Dies sind wesentliche Fragen, sowohl was die Sozialpolitik betrifft, aber auch für die aktuelle und zukünftige Finanzierung von Sozialschutzsystemen.
Lesen Sie auch unseren Artikel Maßnahmen der sozialen Sicherheit für Selbstständige während der COVID-19-Krise, in dem auch Massnahmen für Plattformarbeiter beschrieben sind.