COVID-19

Trotz allem Versprechen gehalten: Institutionelle Abläufe und Humanressourcen während COVID-19

COVID-19

Trotz allem Versprechen gehalten: Institutionelle Abläufe und Humanressourcen während COVID-19

Institutionen der sozialen Sicherheit sind wichtige Aushängeschilder der Regierungen, insbesondere im Katastrophenfall. Während die durch das Coronavirus verursachten Turbulenzen und Verluste an Menschenleben und Lebensgrundlagen weltweit weiter zunehmen, halten die Verwalter der sozialen Sicherheit die Stellung und ihr Versprechen: die Bereitstellung von Geld- und Sachleistungen in guten wie in schlechten Zeiten.

Komplexer als heute geht es wahrscheinlich kaum für Verwalter der sozialen Sicherheit: plötzlich und nachhaltig anfallende massive Arbeitsvolumen, die Dringlichkeit der Bedürfnisse der Bürger, knappe Reaktionszeiten, Schließung der Büros und Homeoffice. In einigen Ländern verstärken die Regierungen den Stress noch, da sie Infrastruktur und Ressourcen von Institutionen der sozialen Sicherheit nutzen, um zusätzliche Unterstützungszahlungen und Leistungen zu verteilen.

Und trotz all diesen Widrigkeiten stellen sich die Verwalter der sozialen Sicherheit diesen Herausforderungen mit bemerkenswertem Geschick, Tempo und Widerstandsfähigkeit.

In der IVSS-Webinarserie über „Leistungserbringung in der sozialen Sicherheit in Zeiten von COVID-19“ zeigt eine Reihe von Webinaren mit Schwerpunkt auf Anpassung von internen Abläufen und Humanressourcen, wie IVSS-Mitgliedsorganisationen in Belgien, Côte d’Ivoire, Estland, Kanada und Malaysia es geschafft haben, ihren Betrieb an den massiven, dauerhaften Anstieg der öffentlichen Nachfrage nach Geld- und Sachleistungen anzupassen. Auch Institutionen der sozialen Sicherheit aus Japan, der Republik Korea und Spanien haben ihre Erfahrungen geteilt.

Zu den Strategien, die sich als entscheidend erweisen, zählen:

  • Geschickte und entscheidungsfreudige Führungskräfte
  • Echtzeiterhebung und gemeinsame Nutzung von Daten und Informationen
  • Zuverlässige digitale Verbindungen
  • Fähigkeiten, Flexibilität und Engagement der Mitarbeitenden

Geschickte und entscheidungsfreudige Führungskräfte

In einer Krise gibt die Führungsebene den Ton der Ruhe und des Vertrauens für das Publikum, das die Institution betreut, und die Mitarbeitenden. Die Einrichtung eines Krisenmanagementteams ermöglicht schlanke Entscheidungsprozesse, um auf dringende Probleme an mehreren voneinander abhängigen Fronten zu reagieren. Wenn die täglichen Sitzungen kurz gehalten werden, zwingt dies zu fokussierten Diskussionen und Zusammenfassungen von Fragen, um rasche Exekutivbeschlüsse zu fördern. Arbeitsanforderungen beleuchten die kritische Rolle der mittleren Führungsebene in der Kommunikationsschleife, die die Information der Mitarbeitenden über die Änderungsbeschlüsse des Krisenteams verstärken und dann Rückmeldungen darüber geben, ob die Änderungen funktionieren oder nicht.

In Belgien erkannten die Hilfszahlstelle für Arbeitslosenunterstützungen (Caisse auxiliaire de paiement des allocations de chômage, CAPAC) und das Landesamt für Arbeit (Office national de l'emploi, ONEM) rasch, wie unmittelbar sie eine neue Arbeitsorganisation benötigten, mit möglichst viel Arbeit im Homeoffice und vereinfachten Abläufen für die Gewährung von Leistungen durch Reduktion der erforderlichen Dokumentation, ohne persönliche Kontakte und die Umstellung auf digital. Die Notwendigkeit, Anspruchsvoraussetzungen zu vereinfachen, um Leistungszahlungen möglichst rasch zu ermöglichen, war wichtiger als die Kontrollmaßnahmen, die in normalen Zeiten üblich sind. Zur Vorbeugung von Risiken, die eine solche Erleichterung der Bedingungen mit sich bringt, erhielten Mitarbeitende des Ministeriums für Beschäftigung und soziale Entwicklung Kanadas (Employment and Social Development Canada, ESDC) aktualisierte Schulungen über Arbeit im Homeoffice, um so genau wie möglich vereinfachte Verfahren und Kontrollmaßnahmen einzuhalten und individueller Improvisation vorzubeugen. Zugleich hatte das ESDC schon frühzeitig Wirtschaftsprüfer konsultiert, um sich proaktiv über Ansätze zur Vereinfachung von Abläufen zu informieren.

Echtzeiterhebung und gemeinsame Nutzung von Daten und Informationen

Die Krise zeigte, wie grundlegend wichtig es ist, Informationen in Echtzeit zu erheben und mit anderen zu teilen und über einen sicheren Rahmen für die gemeinsame Nutzung von Daten zu verfügen. Der Zugang zu Qualitätsinformationen ermöglicht die Beschlussfassung in Echtzeit und alle damit verbundenen Vorteile.
 
Estland zählt zu der exklusiven Gruppe von Ländern mit dem höchsten E-Government-Entwicklungsrating im Index der Vereinten Nationen. Esten können ein breites Spektrum von Online-Dienstleistungen in Anspruch nehmen, darunter Leistungen der sozialen Sicherheit über eine sichere digitale Identität.

Dank des Zugriffs auf Qualitätsinformationen konnte der Estnische Landesrat für Sozialversicherung proaktiv auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Beispielsweise wurden aufgrund der Absage aller Arzttermine zur Eindämmung des Virus Invalidenleistungen automatisch um sechs Monate verlängert. Ebenso werden während der Notmaßnahmenzeit auslaufende Rehabilitationsmaßnahmen bis zum Jahresende verlängert.

Zuverlässige digitale Verbindungen

Der Nachteil von Echtzeiterhebung und gemeinsamer Nutzung von Daten ist, dass dies nur bei guter digitaler Anbindung funktioniert. Dies ist insbesondere für Länder eine Sorge, in denen die Internetdienste den Bedürfnissen der Bevölkerung nicht nachkommen. Die Bereitstellung von physischer Infrastruktur geht weit über die Politik der sozialen Sicherheit hinaus, aber die Krise hat gezeigt, wie kritisch wichtig sie ist. Die Ausweitung und Bereitstellung von zuverlässigen digitalen Verbindungen unterstützen Homeoffice, E-Government und Online-Dienste, die, wie diese Krise zeigt, weit mehr bieten als nur die Erleichterung des Geschäfts und der Dienstleistungen: Sie retten Leben und Lebensgrundlagen. In Belgien, Estland und Spanien nutzen Institutionen gemeinsam Daten und zuverlässige Kommunikationsinfrastruktur, um Mitarbeitende im Homeoffice zu unterstützen und die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen zu erleichtern.

Fähigkeiten, Flexibilität und Engagement der Mitarbeitenden

Trotz der Schließung der Büros während der Pandemie hängen die Institutionen von ihren Mitarbeitenden ab, um die massive Nachfrage nach Geld- und Sachleistungen der sozialen Sicherheit zu bewältigen. In erster Linie wird dies erreicht, indem Mitarbeitende von weniger kritischen Tätigkeiten in die Dienstleistungserbringung versetzt werden; die Call-Center-Dienste ausgebaut werden, um die Kundenanrufe zu beantworten; und durch Homeoffice-Vorkehrungen, die durch Laptops, Mobiltelefone und virtuelle Arbeitsstationen unterstützt werden. Allen gemeinsam ist die Arbeitsauffassung der Mitarbeitenden, ihr Engagement für Solidarität und Teamwork und ihre Verpflichtung gegenüber den Menschen, für die sie arbeiten.

Institutionen in Estland und Belgien, die Homeoffice schon lange vor dem Virusausbruch eingeführt haben, sehen die Vorteile dieser Vorkehrung. Andererseits erkennen Institutionen, die mitten in der Digitalisierung stehen, dass es notwendig ist, Büros während der Pandemie offenzuhalten, mit strengen Vorsichtsmaßnahmen.

Bei der Anstalt für soziale Sicherheit (Pertubuhan Keselamatan Sosial, PERKESO) in Malaysia alternierten die Mitarbeitenden auf Wochenbasis zwischen Büro und Homeoffice. Die soziale Distanz und Sanitärstandards zählen zu den Sicherheitsvorkehrungen ebenso wie Briefkästen, um den physischen Kontakt gering zu halten. Auch Mitarbeitende des Japanischen Rentendienstes (Nippon Nenkin Kiko) alternieren jeden zweiten Tag zwischen Büro und Homeoffice. Die lokalen Büros sind geöffnet, aber der Rentendienst empfiehlt seinen Kunden mit Nachdruck, Telefone, E-Dienste und Chatbots zu nutzen.

Flexible Arbeitszeiten, zeitversetzte Schichten und die Umsetzung seines Notfall-Geschäftskontinuitätsplans helfen dem Landesrentenamt der Republik Korea, seinen Rentenzahldienst weiterhin nahtlos fortzusetzen. Teams von primären, sekundären und alternativen Einsatzleitern unterstützen sich als gegenseitige Back-ups, um die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten, falls ein Teammitglied erkrankt. Spanische Institutionen der sozialen Sicherheit setzen Homeoffice für Kundendienstleistungen und Back-end-Aufgaben in sehr kurzen Fristen um. In Côte d’Ivoire erfolgen die Leistungszahlungen trotz des von der Regierung beschlossenen dreimonatigen Aufschubs von Beitragszahlungen, um den Unternehmen bei ihrem Bedarf an liquiden Mitteln zu helfen, und trotz kürzerer Arbeitszeiten wegen Ausgangssperren und aus Sicherheitsgründen mit einer möglichst geringen Zahl von Mitarbeitenden im Büro zu 90 Prozent im normalen Bearbeitungstempo dank des Teamworks bei der Institution für soziale Vorsorge – Landeskasse für Sozialversicherung (Institution de prévoyance sociale - Caisse nationale de prévoyance sociale).

Schlussbetrachtung

Genauso wie die COVID-19-Krise Geschick, Tempo und Widerstandsfähigkeit von Institutionen der sozialen Sicherheit aufzeigt, signalisiert sie auch Bereiche für Verbesserungen. Die Mitarbeitenden und dynamischen Führungskräfte der IVSS-Mitgliedsorganisationen sind die wichtigsten Wegbereiter für diese Widerstandsfähigkeit. Die Krise rückt auch den Wert der Digitalisierung, elektronischer Zahlungen, von Automatisierung und Datenbanken mit Fernzugriff ins Zentrum. Innovationen in diesen Bereichen verbessern die Widerstandsfähigkeit der Institution, insbesondere in Situationen, die mit extremen Anforderungen an Infrastrukturen und Ressourcen einhergehen.