Internationaler Frauentag

Wir brauchen eine Gesellschaft der Gleichheit

Internationaler Frauentag

Wir brauchen eine Gesellschaft der Gleichheit

Interview mit Ana Marilyn Ortiz Ruiz, Geschäftsführerin der Anstalt für soziale Sicherheit Guatemalas (Instituto Guatemalteco de Seguridad Social) zum Internationalen Frauentag am 8. März 2022.

Marilyn Ortiz Ruiz

Wie sehen Sie die Rolle der sozialen Sicherheit bei der Förderung der Geschlechtergleichstellung und bei der Stärkung der Rolle der Frau in der Gesellschaft?

Soziale Sicherheit ist ein Versprechen auf gesellschaftliches Wohlergehen, das die Gesellschaften zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Geschichte entwickelt haben. Es handelt sich um ein Projekt im Dienst der Bevölkerung, das die Grundvoraussetzungen für einen Schutz auf nationaler Ebene schafft. Angesichts unserer Entwicklungsvoraussetzungen wird klar, dass die Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, für eine Gesellschaft stehen, die noch immer sehr ungleich ist und durch soziale Ungerechtigkeit gespalten und polarisiert wird, was die Grundfesten der menschlichen Solidarität erschüttert. Historisch wirkte die soziale Sicherheit innerhalb dieser wirtschaftlichen und politischen Dynamik stets als sozialer Ausgleichsmechanismus. Diese regulierende Rolle innerhalb der Gesellschaft beruht auf einem institutionellen System, das mithilfe der Anstalt für soziale Sicherheit Guatemalas seit mehr als 75 Jahren zur Verbesserung der sozialen Verhältnisse ihrer Mitglieder beiträgt. Gelungen ist dies durch verschiedene Programme, die in diesem Zeitraum eingeführt wurden. An diesem internationalen Tag sei nun darauf hingewiesen, welchen Beitrag die soziale Sicherheit zu den Gesellschaften und insbesondere zur Gesellschaft Guatemalas, zur Förderung der Geschlechtergleichstellung und zur Stärkung der Rolle der Frau in der gesellschaftlichen Dynamik geleistet hat. Zwar sind wir uns bewusst, dass noch viel mehr getan werden muss, aber die in diesem Bereich erzielten Fortschritte machen Mut und leiten uns auf dem Weg voran, um den Frauen und der ganzen Gesellschaft den vollen Anspruch und den vollen Genuss ihrer Rechte zu ermöglichen.

Haben Sie seit dem Ausbruch der Pandemie eine Veränderung in der Geschlechtergerechtigkeit festgestellt? Welche Rolle spielte die soziale Sicherheit Ihrer Auffassung nach bei der Eindämmung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie auf Frauen?

Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass wir viele Praktiken und Strategien überdenken müssen. Eine der Lehren aus dieser Gesundheitskrise lautet, dass wir besser für diejenigen Teile der Gesellschaft sorgen müssen, die in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt wurden. Was die Gestaltungsmerkmale unseres Systems der sozialen Sicherheit betrifft, so standen die Maßnahmen stets im Einklang mit den Grundsätzen von Gleichheit und Gleichbehandlung, und die Ergebnisse belegen dies. Wir haben jedoch festgestellt, dass es in der guatemaltekischen Gesellschaft noch immer Defizite gibt, und hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter wurden diese nicht etwa ausgeräumt, sondern allerhöchstens verringert. Die Anstalt für soziale Sicherheit Guatemalas hat deshalb ein besonderes Interesse und den starken Wunsch, sowohl auf institutioneller als auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene einen Beitrag zu den nationalen Anstrengungen zu leisten, mit denen die Gleichstellung der Geschlechter vorangebracht werden soll. Während der Pandemie legten Frauen tatsächlich große Führungsstärke und Resilienz an den Tag. Im Gesundheitswesen und in der sozialen Sicherheit sind viele Frauen aktiv: Intensivmedizinerinnen, Fachärztinnen für innere Medizin, Kinderärztinnen, Pflegefachkräfte und Hilfspflegerinnen, von denen sich viele um die medizinische Versorgung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten kümmern. Außerdem leisten viele Apothekerinnen, Biochemikerinnen und Laborantinnen lange Arbeitstage. Frauen, die Impfkampagnen leiten und in Regen und Hitze Berge und Flüsse überqueren, retten täglich das Leben unzähliger Menschen. Medizinische Direktorinnen leiten Gesundheitseinrichtungen und -behörden in städtischen und ländlichen Gebieten. Frauen haben in dieser Pandemie ihre Kompetenzen und ihre Professionalität unter Beweis gestellt und sich in ihrer Doppelrolle zu Hause auch noch um Heim und Familie gekümmert. Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass die Anstalt für soziale Sicherheit Guatemalas ihren institutionellen Rahmen derzeit neu gestaltet und anpasst. Wir entwickeln gerade einen kurz- und mittelfristigen strategischen Plan für die Institution zum Ausbau von Kapazitäten und Dienstleistungen, mit denen die soziale Inklusion aller Mitglieder und Leistungsempfänger – insbesondere von Frauen – verbessert werden soll.

Wie lautet Ihre Botschaft zum Internationalen Frauentag als Chefin einer großen Institution der sozialen Sicherheit an die globale Gemeinschaft der sozialen Sicherheit?

Wir brauchen eine Gesellschaft der Gleichheit mit menschenwürdiger Arbeit für Frauen, um das Renten- und Lohngefälle zu verringern. Familien müssen sich als Ganzes um die Älteren, Kinder und Menschen mit Behinderungen kümmern, damit diese Aufgabe nicht nur den Frauen zufällt. Wir befinden uns auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft mit mehr Gleichheit, einem sichereren Umfeld ohne Belästigung und Diskriminierung von Frauen, und es ist unsere Pflicht, das Geschlechtergefälle weiter zu reduzieren. Ich sage deshalb, dass dieser Internationale Frauentag zum richtigen Zeitpunkt kommt und an die Realität erinnert, in der wir Frauen auf der ganzen Welt täglich leben und die noch immer nicht frei ist von schwierigen Situationen der Marginalisierung, Diskriminierung und Ungleichheit. Wir glauben fest daran, dass es möglich ist, die aktuelle Situation zu überwinden, aber dafür müssen wir konsequent bleiben und uns als Vertreterinnen der sozialen Sicherheit stets an deren Grundsätze erinnern. Verschiedene Gesellschaften haben im Verlauf der Zeit gesellschaftliche Fortschritte erzielt, und es gibt viele weitere Gesellschaften, die Schwierigkeiten überwunden und hinter sich gelassen haben. Es ist daher auch eine Botschaft der Hoffnung und der Einheit, da die Institution, die ich vertrete, auf diesem Weg vorangeschritten und zu einer der Vorreiterinnen für das Erreichen gesellschaftlichen Wohlstands in Guatemala geworden ist. Es ist aber auch eine Botschaft der Solidarität mit allen Teilen der Bevölkerung, und ich möchte, dass diese wissen, dass sie ihre Schwierigkeiten früher oder später überwinden werden und auf die Unterstützung unserer wichtigen guatemaltekischen Institution zählen können, die wir mit unserer Erfahrung und unserem Wissen bereits seit über 75 Jahren leisten. Wir freuen uns auf Ihren Beitrag.