Die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) verzeichnete am Virtuellen Symposium der IVSS über Führung in der sozialen Sicherheit vom 28. Januar 2021 mit 765 angemeldeten Teilnehmern von 165 Institutionen aus 101 Ländern eine Rekordbeteiligung. Die Präsentationen und Diskussionen drehten sich in erster Linie darum, welche zentrale Rolle der Führung einer Institution zukommt, wenn es darum geht, den Wandel hin zu einem menschlich-digitalen Modell umzusetzen und den Herausforderungen der COVID-19-Pandemie zu trotzen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Institutionen vermehrt auf Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung setzen, um ihre Ansätze bei der Dienstleistungsentwicklung und Dienstleistungserbringung anzupassen.
Das in Zusammenarbeit mit dem IVSS-Fachausschuss für Organisation, Verwaltung und Innovation und in Kooperation mit der indonesischen Behörde für soziale Sicherheit im Gesundheitssektor (Social Security Administering Body for the Health Sector, BPJS Kesehatan) organisierte virtuelle Symposium war eine gute Gelegenheit, sich einen Überblick über einige der außerordentlichen Entwicklungen zu verschaffen, die in der Verwaltung der sozialen Sicherheit derzeit stattfinden. Die IVSS und ihre Mitgliedsinstitutionen haben bereits in mehreren Webinaren über COVID-19 Erfahrungen zu entsprechenden Fragen ausgetauscht, etwa zur Anpassung interner Prozesse und Personalressourcen, zur Nutzung elektronischer Dienstleistungen und zum Einsatz neuer Technologien sowie zur Umstellung der Mitarbeitenden auf ein menschlich-digitales Umfeld angesichts der Corona-Pandemie.
Diese Veränderungen haben durch COVID-19 eine weitere Beschleunigung erfahren, was für die Führungskräfte und Manager der sozialen Sicherheit sowohl Herausforderungen als auch Chancen birgt. IVSS-Generalsekretär Marcelo Abi-Ramia Caetano erklärte in seiner Eröffnungsansprache, die Institutionen der sozialen Sicherheit hätten auf die hohen Anforderungen der Regierungen und der Öffentlichkeit mit einer starken Führung geantwortet, die ihre Mitarbeitenden hervorragend eingesetzt und wichtige Entscheidungen zur Investition in digitale Kanäle gefällt habe. „Die Institutionen der sozialen Sicherheit treten in ein neues menschlich-digitales Zeitalter“, sagte er. Die IVSS freute sich auch, führende Manager aus Afrika, Asien und Europa am virtuellen Seminar begrüßen zu dürfen, die im weiteren Verlauf über ihre Erfahrungen berichteten.
Sitzung 1: Führung im menschlich-digitalen Zeitalter
Nach den einführenden Bemerkungen von Mohammed Azman bin Aziz Mohammed, CEO und Generaldirektor der Anstalt für soziale Sicherheit (Pertubuhan Keselamatan Sosial - PERKESO) Malaysias, befasste sich die erste Sitzung des Symposiums mit dem Thema Führung im menschlich-digitalen Zeitalter. Wie in einem im Vorfeld der Veranstaltung veröffentlichten Artikel der IVSS erwähnt, ist eine entschlossene Führung entscheidend, damit alle dasselbe Ziel verfolgen, insbesondere in einer Krise wie der COVID-19-Pandemie. Dank dem integrierten Ansatz für menschlich-digitale Kapazitäten, in den die Institutionen der sozialen Sicherheit die letzten Jahre investiert haben, ist nicht nur eine neue Generation von Führungskräften in Erscheinung getreten, sondern es hat sich auch die Resilienz des Personals erhöht und der Einsatz digitaler Technologien konnte allgemein ausgebaut werden. Damit haben es die Institutionen der sozialen Sicherheit geschafft, in dieser beispiellosen Krise verlässliche Leistungen und Dienstleistungen zu erbringen.
„Die Menschen in den Mittelpunkt stellen“, so formulierte es Fachmi Idris, Generaldirektor der indonesischen Behörde für soziale Sicherheit im Gesundheitssektor (BPJS Kesehatan), denn dieses Motto zog sich wie ein roter Faden durch das, was in der Sitzung besprochen wurde. Idris verwies dabei auf die Führungsvision seiner Institution bei der Einführung digitaler Transformationen, wobei sowohl im internen als auch im externen Austausch stets der menschliche Aspekt zuvorderst stehen müsse. Beim internen Management gehe es darum, dass rund um die digitalen Entwicklungen Vertrauen und Zusammenarbeit aufgebaut werden, und hinsichtlich des externen Managements betonte er, wie wichtig es sei, dass auf die Kunden gehört werde und dass die Einführung neuer digitaler Lösungen schrittweise erfolge. T.B.J. Memela, CEO der Sozialversicherungsanstalt Südafrikas (South African Social Security Agency), verkündete eine ähnliche Botschaft, als er sagte: „Man muss sicherstellen, dass die Menschen der Technologie folgen können und dass wir diese Reise gemeinsam unternehmen.“ Der Estnische Landesrat für Sozialversicherung hat sich zum Ziel gesetzt, alle Arbeitsabläufe zu digitalisieren, und Generaldirektor Egon Veermäe sagte mit Hinweis darauf, wir müssten „die Zukunft neu erfinden“. Gleichzeitig, so betonte er, hätten die Institutionen der sozialen Sicherheit die Ängste sowohl der Mitarbeitenden als auch der Kundinnen und Kunden ernst zu nehmen, auf sie zu hören, viel zu erklären und den Weg gemeinsam zu gehen. Der Estnische Landesrat für Sozialversicherung wird übrigens Gastgeber der 16. Internationalen IVSS-Konferenz über Informations- und Kommunikationstechnologie in der sozialen Sicherheit sein.
Sitzung 2: Verhalten und soziale Sicherheit
In der zweiten Sitzung wurden die Teilnehmenden des Symposiums auf eine faszinierende Reise mitgenommen, auf der sie mehr darüber lernten, wie die Institutionen der sozialen Sicherheit vermehrt Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung einsetzen, um Exzellenz in der Verwaltung der sozialen Sicherheit zu entwickeln und umzusetzen. Maribel Ortiz, Fachspezialistin der IVSS in sozialer Sicherheit, gab eine Einführung in das Konzept. Menschen folgten die meiste Zeit Gewohnheiten oder würden stark dadurch beeinflusst, wie ihnen Informationen präsentiert werden, erklärte sie. Die meisten unserer Handlungen erfolgten deshalb unbewusst, und dies gelte auch für die Kundinnen und Kunden der sozialen Sicherheit. Ein wirksames Mittel, um ein bestimmtes Verhalten zu ändern, seien Anreize (Nudges). Diese Anreize könne man sich so vorstellen, dass man durch ein leichtes Anstoßen am Ellbogen auf etwas hingewiesen werde. Mit diesem Nudging könne das Interesse von Kundinnen und Kunden der sozialen Sicherheit geweckt und sie könnten sogar dazu motiviert werden, ihr Verhalten zu ändern und neue digitale Lösungen auszuprobieren.
Lesley Stein, Direktorin für Partnerschaften und Marktforschung bei Dienstleistungen Australien (Services Australia), berichtete von der Vision ihrer Institution, die öffentlichen Dienstleistungen so einfach wie nur möglich zu gestalten. Für dieses Geschäftsmodell sei es entscheidend, dass man über Informationen zum Verhalten der Menschen verfüge, und Dienstleistungen Australien setze in den Geschäftsprozessen dafür bereits Technologien wie künstliche Intelligenz ein. Auch bei der Bewältigung der COVID-19-Krise seien die Abläufe für die Kundinnen und Kunden dank Erkenntnissen aus den Verhaltenswissenschaften vereinfacht worden, so dass sie dazu gebracht werden könnten, digitale Lösungen zu nutzen. Leila Naija, stellvertretende Direktorin der tunesischen Landeskasse für soziale Sicherheit (Caisse nationale de sécurité sociale – CNSS), führte aus, wie ihre Institution Verhaltenserkenntnisse einsetzt, um den Sozialschutz auf Beschäftigte der Landwirtschaft auszuweiten. Die Verfahren und gesetzlichen Bestimmungen seien durch einen integrierten Ansatz angepasst worden, unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Landarbeiterinnen und Landarbeitern. So hätten neue digitale Lösungen für mobile Geräte entwickelt werden können.
Sich auf Neues einlassen oder abgehängt werden
Das Virtuelle Symposium der IVSS über Führung in der sozialen Sicherheit hat gezeigt, wie dynamisch eine moderne Führung der sozialen Sicherheit aussehen kann und welche Veränderungen sie ständig durchzumachen hat. Im Rahmen ihres Themenschwerpunkts „Die Zukunft der Verwaltung und des Managements der sozialen Sicherheit“ wird sich die IVSS weiterhin vertieft mit den Bereichen Führung in Institutionen der sozialen Sicherheit, Personalentwicklung in einem menschlich-digitalen Zeitalter, Digitalisierung von Institutionen und Nutzung von Verhaltenserkenntnissen befassen.