Vom 4. bis 6. Mai 2022 versammelten sich Geschäftsführer und IKT-Experten in Tallinn, Estland, um darüber zu diskutieren, wie sich mit der Digitalisierung eine anpassungsfähige und personenzentrierte soziale Sicherheit erreichen lässt. Die COVID-19-Pandemie hat die digitale Transformation beschleunigt, und die Konferenz war eine willkommene Gelegenheit, nach mehr als zwei Jahren virtueller Veranstaltungen endlich wieder persönlich zusammenzukommen, voneinander zu lernen und sich zu vernetzen.
Die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) war hocherfreut, ihre Mitglieder auf der 16. Internationalen IVSS-Konferenz über Informations- und Kommunikationstechnologie in der sozialen Sicherheit (ICT 2022) begrüßen zu können, die vom Estnischen Landesrat für Sozialversicherung (Estonian National Social Insurance Board) ausgerichtet wurde. Nach dem virtuellen Symposium im vergangenen Jahr war es endlich wieder möglich, die IVSS-Mitglieder auf einer internationalen Konferenz persönlich zu treffen. Über 160 Teilnehmende hatten sich angemeldet, um nach Tallinn zur ICT 2022 zu kommen. Außerdem nahmen fast 500 Personen online an der Veranstaltung teil.
Tallinn war eine natürliche Wahl als Veranstaltungsort der ICT 2022, da Estland eines der weltweit am stärksten digitalisierten Länder ist und die soziale Sicherheit hier fast gänzlich auf elektronischen Dienstleistungen beruht. „Worauf wir uns vor allem konzentrieren, ist, wie wir nutzerzentriert arbeiten können. Gutes Design und die Berücksichtigung der Nutzererfahrungen führen zu besseren Ergebnissen“, sagte Andres Sutt, der estnische Minister für Unternehmertum und Informationstechnologie, in seiner Eröffnungsrede. Er betonte insbesondere, dass „diese Transformation eine Reise ist, und es ist eine großartige Reise, die niemals zu Ende ist“. Diese Botschaft zeigt deutlich, dass stets neu geprüft und diskutiert werden muss, wie sich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) im Dienst der sozialen Sicherheit einsetzen lassen. Mehrere Referenten verwiesen auf der Konferenz denn auch darauf, dass die IKT kein Endziel sind, sondern vielmehr Mittel zum Aufbau einer digitalen Transformationsstrategie.
Referenten und Podiumsteilnehmer aus mehr als 85 IVSS-Mitgliedsinstitutionen und anderen Organisationen leisteten Beiträge zur dreitägigen Konferenz. Luukas Ilves, Untersekretär für digitale Entwicklung und IT-Leiter (Chief Information Officer, CIO) der Regierung, lieferte eine inspirierende Präsentation der in Estland gemachten Erfahrungen. Zusätzlich wurde für Institutionen, die mehr über die Geschichte und den Weg der digitalen Transformation Estlands erfahren wollten, eine Projektbesichtigung organisiert, deren Höhepunkt ein Besuch im Informationszentrum von e-Estonia war, wo Spezialisten über ihren hochmodernen Rahmen für e-Government-Dienstleistungen berichteten.
Zum Runden Tisch der CEOs kamen Topmanager aus vier Kontinenten zusammen, um über Digitalisierungsstrategien, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren zu diskutieren. Und auf dem IKT‑Industrieforum wurden Perspektiven für Großunternehmen aufgezeigt, die IKT-Lösungen für den öffentlichen Dienst anbieten. In den Plenarsitzungen wurden Grundsatzreferate zu spezifischen Themen gehalten, die dann in mehreren Parallelsitzungen vertieft wurden, in denen sich die IVSS-Mitglieder über konkrete Beispiele guter Praxis und entsprechende Erfahrungen informieren konnten.
Die Beschleunigung der digitalen Transformation in der sozialen Sicherheit durch die COVID-19-Krise lieferte in vielerlei Hinsicht den Hintergrund für die Gespräche auf der Konferenz. Wie IVSS-Präsident Prof. Dr. Joachim Breuer sagte, „hat die Coronapandemie der Digitalisierung massiven Schub verliehen“. Die ICT 2022 bot jedoch auch eine Gelegenheit, diese Entwicklungen genauer zu analysieren und über die Pandemie hinauszublicken. Dabei ging es um Erfahrungen, Beispiele guter Praxis und allgemeine Überlegungen zu zentralen technischen Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), Analyseverfahren, Big Data, Blockchain, kundenzentrierte mobile Anwendungen, Cybersicherheit, Datenaustausch zwischen Organisationen und Interoperabilität. Die Innovationszone schließlich war eine spezielle Sitzung mit anregenden Live-Vorführungen unter anderem von KI-basierten mobilen Apps, Robotern zur Unterstützung behinderter Kinder und geschäftlichen Analyseinstrumenten.
Die technischen Lösungen wurden in einem strategischen Kontext und vor dem Hintergrund wichtiger politischer und operativer Ziele diskutiert. Susanne Weigel vom IVSS-Fachausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie erklärte in der Abschlusssitzung: „Dadurch bot sich eine wirklich gute Perspektive auf strategische und transformationsbezogene Fragen wie Nutzerorientierung, Änderungsmanagement und Strategie.“ Entwürfe zweier neuer IVSS-Berichte wurden vorgestellt, die sich mit digitaler Inklusion und digitaler operativer Resilienz befassen. Nach der Konferenz werden die Berichte anhand von Rückmeldungen der Mitglieder fertiggestellt und sollen auf der IVSS-Website veröffentlicht werden.
Neben strategischen und technischen Lösungen war Data Storytelling ein weiteres zentrales Konzept, das auf der Konferenz näher beleuchtet wurde. Es ist nämlich wichtig, auch über den Wert der IKT für die soziale Sicherheit, für die Nutzer und für die Leistungsempfänger zu kommunizieren. In seiner Abschlussrede betonte IVSS-Generalsekretär Marcelo Abi-Ramia Caetano, „dass wir letztlich nur darum über all diese technischen Aspekte diskutieren, weil wir eine soziale Sicherheit für alle entwickeln und voranbringen möchten“. Die Reise geht also weiter, und das Thema der Informations- und Kommunikationstechnologien wird sicherlich auch auf der Tagesordnung des Weltforums für soziale Sicherheit stehen, das vom 24. bis 28. Oktober 2022 in Marrakesch, Marokko, stattfinden wird.
e-Estonia – Bericht einer Projektbesichtigung
Anlässlich der 16. Internationalen IVSS-Konferenz über Informations- und Kommunikationstechnologie in der sozialen Sicherheit (ICT 2022) organisierte die IVSS mit der Unterstützung des Estnischen Landesrats für Sozialversicherung (Estonian National Social Insurance Board) – dem Ausrichter der Veranstaltung – eine Projektbesichtigung im Informationszentrum von e-Estonia (e-Government in Estland).
Ziel der Projektbesichtigung am 3. Mai 2022 war es, den Teilnehmenden ein besseres Verständnis für die Details und den Umfang der estnischen Digitalstrategie zu vermitteln. Insgesamt 14 Vertreterinnen und Vertreter von Institutionen aus verschiedenen Weltregionen nahmen am Besuch teil und tauschten sich mit lokalen Experten über den einzigartigen digitalen Transformationsprozess des Landes aus.
Die Teilnehmenden erfuhren dabei aus erster Hand, wie die Regierungsbehörden dank Initiativen wie digitaler Sozialschutz (Digital Social Protection), digitale staatliche Dienstleistungen (Digital Government Services), elektronischer Ausweis (Electronic ID) und institutionsübergreifenden Datenaustauschplattformen wie X-Roads miteinander zusammenarbeiten und so über 99 Prozent ihrer Dienstleistungen über digitale Kanäle erbringen.
Der Besuch war ein hervorragendes Beispiel für die internationale Zusammenarbeit von IVSS-Mitgliedsinstitutionen, die nun Innovationen aus Estland auch in ihrem Land umsetzen können.
Weitere Informationen finden Sie hier:
www.issa.int/ICT2022
www.e-estonia.com/briefing-centre/