Koordination der sozialen Sicherheit auf mehreren Ebenen: Erfahrungen aus Amerika

Koordination der sozialen Sicherheit auf mehreren Ebenen: Erfahrungen aus Amerika

Die Systeme der sozialen Sicherheit sind zunehmend vernetzt, sei dies mit Institutionen desselben Zweigs, mit Institutionen anderer Zweige oder mit Systemen aus anderen Ländern. Im heutigen komplexen Umfeld spezialisieren sich überdies die Abteilungen innerhalb der Institutionen immer stärker, sie agieren selbstständig oder konzentrieren sich nur auf geografische Gebiete. Daher braucht es für die strategischen und operativen Tätigkeiten von Institutionen der sozialen Sicherheit oft eine Beteiligung und Koordination verschiedener Akteure, die auf unterschiedlichen Ebenen zusammenarbeiten müssen, um konkrete Ergebnisse zu erzielen.

Eine Koordination in der sozialen Sicherheit ist häufig notwendig, aber meist nicht ausreichend. Es braucht auch vernünftige Strategien und starke Institutionen, damit die Rechte der sozialen Sicherheit gewahrt bleiben. Koordination ist oft kostenaufwendig, und globale Studien haben gezeigt, dass sie kein Selbstzweck sein sollte und dass bei geringen Kapazitäten keine zu komplexen Strategien entworfen werden sollten, die einen hohen Koordinationsaufwand voraussetzen.

In Fällen hingegen, in denen eine Koordination nötig ist, werden sehr unterschiedliche Strategien verfolgt und sehr unterschiedliche institutionelle Strukturen eingesetzt. Es gibt kein Einheitsrezept, wie eine Koordination zu erreichen ist. Mechanismen, die in einem Land oder für eine Institution funktionieren, können in einem anderen Land oder bei einer anderen Institution fehl am Platz sein. Außerdem kann auch der Komplexitätsgrad der Koordination, der für eine erfolgreiche Umsetzung benötigt wird, je nach strategischen oder politischen Zielen sowie je nach Kapazität der beteiligten Akteure und Institutionen variieren. Koordinationslösungen müssen deshalb genau an den lokalen Kontext angepasst werden und auf spezifische und sorgfältig definierte strategische Ziele abgestimmt sein.

In Amerika ist die Koordination von Institutionen der sozialen Sicherheit kein neues Phänomen. So gibt es zahlreiche Beispiele für eine Koordination auf strategischer Ebene (höhere Koordinationsebene), auf operativer oder verfahrensbezogener Ebene (mittlere Koordinationsebene) und auf der Ebene der Dienstleistungserbringung (untere Koordinationsebene). Diese vereinfachte Aufteilung (siehe Tabelle 1) bildet die Grundlage für die Diskussion der folgenden Fälle, wobei stets zu berücksichtigen ist, dass oft nicht klar zwischen den einzelnen Ebenen unterschieden werden kann.

Tabelle 1. Koordinationsebenen
Ebene Beschreibung
Höhere Koordinationsebene (strategische Ebene) Definitionen, Strategien, Instrumente und Strukturen, die die innere Funktionsweise des Sozialschutzsystems bestimmen, einschließlich der Funktionen und Aufgaben von Akteuren und Institutionen sowie der Art, wie die verschiedenen Bestandteile interagieren sollen.

Abstimmung der Strategie des Sozialschutzsystems mit den übrigen sozioökonomischen Strategien.
Mittlere Koordinationsebene (operative Ebene) Instrumente des Verwaltungssystems zur Koordination der verschiedenen Programme.

Institutionen und Behörden der mittleren Ebene, die für die regelmäßige Überwachung der Koordination zuständig sind. Diese Behörden oder Kommissionen befassen sich üblicherweise nicht mit Vorgaben auf höherer Ebene, sondern mit praktischen Wegen, wie sich die Koordination umsetzen lässt, beispielsweise durch verbesserte Koordinationsverfahren oder die Festlegung gemeinsamer Standards in Provinzen und Regionen usw.
Untere Koordinationsebene (Ebene der Dienstleistungserbringung) Verbindungen auf der unteren Ebene mit anderen Programmen und Dienstleistungen. Hier geht es vor allem um die Dienstleistungserbringung und die Frage, wie die Staatsbediensteten bzw. lokalen Amtsträger und andere Akteure die verschiedenen Programme und Dienstleistungen koordinieren.

Koordination der Abteilungen oder Diensterbringungsstellen.
Quelle: Auf der Grundlage von IAO et al., 2021.

Umsetzung von Koordinationsinitiativen auf mehreren Ebenen in der sozialen Sicherheit in Amerika

Dieser Artikel analysiert Beispiele guter Praxis aus Amerika, bei denen sich mindestens zwei der drei beschriebenen Koordinationsebenen finden. Obwohl in allen Fällen meist irgendeine Form der Koordination auf allen drei Ebenen zu beobachten ist, geht es hier vor allem um Fälle mit einer intensiven Koordination auf einer bestimmten Ebene. Ausgangspunkt dieses Artikels ist der Rahmen, der von der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UNDESA) und der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) entwickelt wurde (UNDESA und IAO, 2021; IAO et al., 2021).

Sowohl bei der Umsetzung von Brasiliens Nationaler Kampagne zur Vermeidung von Arbeitsunfällen als auch von Argentiniens Intercosecha-Programm für die Zwischenerntezeit lässt sich eine deutliche Koordination auf allen drei Ebenen feststellen. Die Gewerkschaftsvereinbarungen über die gemeinsame Verantwortung in der sozialen Sicherheit in Argentinien und die spezialisierte Betreuung für Frauen mit einer Risikoschwangerschaft in Mexiko sind Fälle, in denen eine Koordination auf operativer Ebene und auf Ebene der Dienstleistungserbringung erforderlich war. Und schließlich finden sich Beispiele, in denen Koordinationsanstrengungen sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene wichtig sind: in Uruguay (Staatliche Software und kollaborative Entwicklung), in Argentinien (Digitale arbeitsrechtliche Dokumente und Dokumente der sozialen Sicherheit) und im internationalen Kontext in der Wirtschaftsgemeinschaft MERCOSUR mit ihrem System internationaler Übereinkommen der sozialen Sicherheit (Sistema de Acuerdos Internacionales de Seguridad Social – SIACI).

Diese Beispiele und die entsprechenden Koordinationsebenen sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

Tabelle 2. Beispiele guter Praxis mit einer Koordination auf mehreren Ebenen
Land Gute Praxis Strategische Koordination Operative Koordination Koordination der Dienstleistungs­erbringung
Argentinien Programm für die Zwischenerntezeit X X X
Brasilien Nationale Kampagne zur Vermeidung von Arbeitsunfällen (CANPAT) X X X
Argentinien Gewerkschaftsvereinbarungen über die gemeinsame Verantwortung in der sozialen Sicherheit: Ein Werkzeug zur Förderung der menschenwürdigen Arbeit in ländlichen Gebieten   X X
Mexiko Spezialisierte Betreuung für Frauen mit einer hochriskanten oder komplizierten Schwangerschaft oder geburtshilfliche Notfälle, die bei IMSS-BIENESTAR eingetragen sind, in Krankenhäusern der zweiten und dritten Ebene der Sozialversicherungsanstalt Mexikos   X X
Argentinien Digitale arbeitsrechtliche Dokumente und Dokumente der sozialen Sicherheit – eine einzige Anlaufstelle und Datenquelle (digitales Lohnbuch) X X  
Uruguay Staatliche Software und kollaborative Entwicklung X X  
MERCOSUR
(Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay)
System Internationaler Übereinkommen – SIACI X X  

Koordination auf drei Ebenen (strategisch, operativ, Dienstleistungserbringung)

Argentiniens Programm für die Zwischenerntezeit

In Argentinien hat das Ministerium für Arbeit, Beschäftigung und soziale Sicherheit (Ministerio de Trabajo, Empleo y Seguridad Social – MTEySS) ein Programm für die Zwischenerntezeit eingeführt. Ziel des Programms ist es, Zeitarbeitern in der Landwirtschaft eine Kompensation für die inaktive Zeit zwischen zwei Ernten anzubieten.

Die Arbeit in der Landwirtschaft ist gekennzeichnet von Unsicherheit, prekären Beschäftigungsbedingungen, Saisonalität, mobilen Arbeitskräften, hoher Fluktuation und geringer Registrierung bei der sozialen Sicherheit. Außerdem sind die Ernten und damit auch das Einkommen der Arbeitnehmer stark abhängig von der Witterung.

Das Programm umfasst einen monatlichen Geldtransfer in der Zwischenerntezeit (die bis zu vier Monate dauern kann) und einen Zugang zu Kursen oder Weiterbildungsmöglichkeiten, Arbeitsagenturen und Hilfe für den Ortswechsel in eine andere Region.

Das Programm deckt das gesamte Land ab. Aufgrund der breiten geografischen Streuung der ländlichen Bevölkerung wurden für die Umsetzung Vereinbarungen zwischen dem Ministerium und den Provinzregierungen geschlossen, mit der Unterstützung der Gewerkschaften und des Landesregisters für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der Landwirtschaft (Registro Nacional de Trabajadores Rurales y Empleadores, RENATRE).

Die Provinz- und Kommunalregierungen überwachen zusammen mit den Produzentenverbänden und den Gewerkschaften der verschiedenen Tätigkeitsbereiche die Arbeitnehmer in ihrem Gebiet, erstellen die Liste der möglichen Leistungsempfänger und drängen auf ihre Registrierung bei der zuständigen Behörde für Beschäftigung und Weiterbildung (Sekretariat für soziale Sicherheit, 2015).

Tabelle 3. Beispiele für die Koordination beim Programm für die Zwischenerntezeit
Programm für die Zwischenerntezeit
Strategische Koordination Vereinbarung zwischen MTEySS und Provinzregierungen
Operative Koordination Gemeinsame Planung von MTEySS und Provinzregierungen sowie Koordination bei der Überwachung mit anderen Stellen, damit Leistungen und Programme nicht doppelt erbracht werden
Koordination der Dienstleistungserbringung Gemeinsame Umsetzung des Zugangs zu allen Leistungserbringern durch Unternehmensverbände und Gewerkschaften

Brasiliens Kampagne zur Vermeidung von Arbeitsunfällen

Bei der nationalen Kampagne zur Vermeidung von Arbeitsunfällen (CANPAT) handelt es sich um eine Initiative des brasilianischen Staatssekretariats für Arbeitsaufsicht, das Teil des brasilianischen Ministeriums für Finanzen – Sekretariat für soziale Vorsorge ist. Die Kampagne besteht aus einer Reihe von Aktionen zur Förderung einer Kultur der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Im Zentrum steht die Prävention, um das Bewusstsein der Bevölkerung für die Risiken durch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu schärfen.

Die Kampagne CANPAT besteht aus zwei Teilen: Der eine richtet sich an Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch besondere Aktionen am Arbeitsplatz, mit dem anderen soll durch Aktionen in der Öffentlichkeit und in Schulen eine Präventionskultur bei jungen Menschen und Jugendlichen geschaffen werden.

An der Kampagne beteiligt sind die zentrale Arbeitsaufsicht sowie die regionalen Arbeitsaufsichtsbehörden der 27 Bundesstaaten. Ebenso eingebunden sind verschiedene öffentliche und private Partnerinstitutionen sowie Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände.

Die interne Koordination zwischen der zentralen Arbeitsaufsicht und den regionalen Arbeitsaufsichtsbehörden sowie zwischen den regionalen Arbeitsaufsichtsbehörden, den institutionellen Partnern und den anderen Behörden ist entscheidend für das reibungslose Funktionieren der Kampagne (Ministerium für soziale Sicherheit, 2017).

Tabelle 4. Beispiele für die Koordination bei der Kampagne CANPAT
CANPAT
Strategische Koordination Vereinbarung zwischen den Arbeitsaufsichtsbehörden und den öffentlichen und privaten Partnerinstitutionen
Vereinbarungen auf der Ebene der Dreigliedrigen Kommission des Landes
Operative Koordination Koordination zwischen der zentralen Arbeitsaufsicht und den regionalen Arbeitsaufsichtsbehörden
Koordination der Dienstleistungserbringung Koordination mit Unternehmen zur Umsetzung von Aktionen des ersten Teils
Koordination mit Bildungseinrichtungen zur Umsetzung von Aktionen des zweiten Teils

Koordination auf zwei Ebenen (strategische Ebene und Ebene der Dienstleistungserbringung)

Argentiniens Gewerkschaftsvereinbarungen mit gemeinsamer Verantwortung

Das Sekretariat für soziale Sicherheit (Secretaría de Seguridad Social – SSS), das Teil des Ministeriums für Arbeit, Beschäftigung und soziale Sicherheit (Ministerio de Trabajo, Empleo y Seguridad Social – MTEySS) ist, hat ein Werkzeug zur Förderung der menschenwürdigen Arbeit in ländlichen Gebieten eingeführt. Die Initiative beruht auf der Unterzeichnung von Vereinbarungen für eine gemeinsame Verantwortung von Gewerkschaften und Arbeitgebern. Dadurch wird der Zugang der Arbeitnehmer und ihrer Familien zu sozialer Sicherheit erleichtert (einschließlich zu Altersrenten und Invalidenleistungen, Arbeitsunfall- und Berufskrankheitsleistungen, Arbeitslosenleistungen, Familienbeihilfen und Krankenversicherungsleistungen). Zudem wird die Entrichtung von Beiträgen der sozialen Sicherheit sichergestellt.

Die Vereinbarungen werden zwischen den Verbänden der Landwirtschaftsbeschäftigten und den Betrieben des Sektors geschlossen und nach der Unterzeichnung an die Bundesverwaltung der Staatseinnahmen (Administración Federal de Ingresos Públicos – AFIP) sowie an die Nationale Verwaltung für soziale Sicherheit (Administración Nacional de la Seguridad Social – ANSES) sowie danach an das Sekretariat für soziale Sicherheit weitergeleitet. Das Sekretariat für soziale Sicherheit genehmigt die Vereinbarungen, überprüft ihre Einhaltung und kümmert sich um Streitigkeiten und Fragen zur Anwendung oder Auslegung (Sekretariat für soziale Sicherheit, 2012).

Tabelle 5. Beispiele für die Koordination bei den Gewerkschaftsvereinbarungen über die gemeinsame Verantwortung
Gewerkschaftsvereinbarungen über die gemeinsamer Verantwortung
Strategische Koordination Vereinbarungen zwischen SSS, AFIP und ANSES
Vereinbarungen mit landwirtschaftlichen Gewerkschaften und Betrieben zur Beteiligung an der Initiative
Koordination der Dienstleistungserbringung Entrichtung von Beiträgen durch die (in den Vereinbarungen spezifizierten) Zwischeninstanzen
Einreichung des Vereinbarungsvorschlags durch AFIP und ANSES mit formeller Genehmigung durch SSS

Mexikos spezialisierte Versorgung von Frauen mit Risikoschwangerschaften

Einer der größten Risikofaktoren für die Sterblichkeit von Müttern ist eine fehlende fachmedizinische Versorgung. Eine solche Versorgung erlaubt eine schnelle und wirksame Behebung gesundheitlicher Probleme und Komplikationen während und nach der Schwangerschaft. Viele Krankenhäuser auf dem Lande in Mexiko sind jedoch nicht in der Lage, eine umfassende Versorgung und Betreuung zu gewährleisten, da es an der erforderlichen Infrastruktur und am Personal fehlt.

Im Rahmen der Strategie zur Senkung der Müttersterblichkeit in ländlichen Gebieten führte die Sozialversicherungsanstalt Mexikos (Instituto Mexicano del Seguro Social – IMSS) ein Modell für die Koordination der fachmedizinischen Versorgung in Krankenhäusern der zweiten und dritten Ebene der Pflichtversicherung für Begünstigte des Programms IMSS-Bienestar ein. Dabei gestattete der IMSS-Expertenrat durch Entschließung 126 den Krankenhäusern mit Pflichtversicherungsleistungen, Leistungsempfängerinnen des Programms IMSS-Bienestar eine kostenlose fachmedizinische Versorgung bei Risikoschwangerschaften vor und während der Geburt sowie für ihre Neugeborenen zu gewähren.

Um die Entschließung umzusetzen, wurde ein Modell für Eingriffe entworfen, mit dem die wichtigsten Risiken für Todesfälle eingedämmt werden sollen. Es umfasst die vorgeburtliche Prävention sowie eine schnelle und wirksame Versorgung der wichtigsten Notfälle bei der Geburt und der Notfälle aufgrund von Geburtskomplikationen. Dies geschieht durch eine systematische, stufenweise und koordinierte Überweisung an eine multidisziplinäre fachmedizinische Versorgung, wenn die Kapazitäten der ländlichen Krankenhäuser nicht ausreichen (Sozialversicherungsanstalt Mexikos, 2020).

Tabelle 6. Beispiel für die Koordination bei der fachmedizinischen Versorgung von Frauen mit Risikoschwangerschaften
Spezialisierte Versorgung von Frauen mit Risikoschwangerschaften
Strategische Koordination Vereinbarungen zwischen IMSS-Bienestar und dem Expertenrat zur Genehmigung der Zahlungen für die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern der zweiten und dritten Ebene
Koordination der Dienstleistungserbringung Anwendung von Entschließung 126 zur Überweisung und koordinierten Versorgung im Rahmen von IMSS-Bienestar zwischen den ländlichen Krankenhäusern und den Krankenhäusern mit Pflichtversorgungsleistungen

Koordination auf zwei Ebenen (strategische und operative Ebene)

Argentiniens digitale arbeitsrechtliche Dokumente und Dokumente der sozialen Sicherheit

Die argentinische Bundesverwaltung der Staatseinnahmen (Administración Federal de Ingresos Públicos – AFIP) führte ein digitales Lohnabrechnungssystem ein, das es Arbeitgebern erlaubt, sämtliche Informationen für die arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsbezogenen Dokumente an eine zentrale Stelle einzusenden.

Die Initiative ist ein gemeinsames Projekt von AFIP und MTEySS, das die Pflichten von Arbeitgebern vereinfacht und die Qualität und Kohärenz der Informationen sicherstellt. Die Anwendung ermöglicht es, die Daten für mehrere Behörden nur einmal zu erfassen und damit das Verfahren zu vereinfachen und auf eine Handlung zu beschränken.

Die Webanwendung (über die die Daten erhoben werden) hält sich an alle Bedingungen der beteiligten Akteure und Einrichtungen, auf der arbeitsrechtlichen Seite ebenso wie auf jener der sozialen Sicherheit. Es handelt sich um ein Webtool, das es den Arbeitgebern erlaubt, die arbeitsrechtlichen Anmeldungen zu systematisieren. Hierzu muss sich der Arbeitgeber mit seiner Steueridentifikationsnummer ins System einloggen und eine Datei mit den Gehaltsabrechnungen importieren. Danach bestätigt er diese Informationen über die Zusammenfassung der Löhne, die er von der AFIP zurückerhält.

Die Dienstleistung erforderte eine Koordination nicht nur auf strategischer, sondern auch auf operativer Ebene, da jede Behörde ihren Bedarf sowie die benötigten Daten angeben musste. Außerdem konnten so die früheren Formulare ersetzt werden (Bundesverwaltung der Staatseinnahmen, 2016).

Tabelle 7. Beispiele für die Koordination bei der zentralen Anlaufstelle für digitale Dokumente
Zentrale Anlaufstelle für digitale arbeitsrechtliche und sozialversicherungsbezogene Dokumente
Strategische Koordination Vereinbarung zwischen AFIP und MTEySS zur Umsetzung der zentralen Anlaufstelle
Vereinbarung zwischen AFIP und MTEySS zur Vereinheitlichung der Dateneingabe und Datenvalidierung
Operative Koordination Koordination der Behörden zur Festlegung der Anforderungen der Webanwendung
Vereinbarungen für den Datenaustausch zwischen den Behörden

Uruguays staatliche Software und kollaborative Entwicklung

Die Bank für Sozialversicherung (Banco de Previsión Social – BPS) fördert und prüft, bevor sie ein neues System entwirft oder in ein Ausschreibungsverfahren zum Kauf eines solchen eintritt, ob sich auch staatliche Software einführen lässt (mit staatlichen Mitteln entwickelte Software, die daher von allen beteiligten Behörden genutzt werden kann).

Dadurch, dass die Bank für Sozialversicherung bestehende Softwarelösungen, die von anderen Behörden genutzt werden, und deren Anwendbarkeit für den eigenen Bedarf prüft, hat die Initiative für staatliche Software die Koordination von Behörden gefördert und Netzwerke für die Zusammenarbeit gestärkt. Zudem wurden konkrete Ergebnisse hinsichtlich Kostensenkungen und Ressourceneinsparungen erzielt, indem Größenvorteile genutzt wurden, so dass bewährte Softwarelösungen mit wesentlich geringerer Entwicklungszeit eingesetzt werden konnten, als wenn sie vollkommen neu hätten entwickelt werden müssen.

Beim Elektronischen Terminsystem erstreckte sich die anfängliche Entwicklung über ungefähr zehn Monate. Die Einführung des Systems in der Bank für Sozialversicherung benötigte nach den notwendigen Anpassungen an den Kontext der Bank nur vier Monate, also lediglich 40 Prozent der Zeit.

Nach diesem Erfolg wollten auch andere Behörden die Lösung umsetzen. Sie wurde von der Behörde für elektronische staatliche Dienstleistungen (AGESIC) übernommen, die das System weiter verbesserte und es dann für die gesamte Zentralverwaltung bereitstellte (Bank für Sozialversicherung, 2017).

Tabelle 8. Beispiele für die Koordination bei der Einführung staatlicher Software durch kollaborative Entwicklung
Staatliche Software und kollaborative Entwicklung
Strategische Koordination Vereinbarung zwischen der für die Entwicklung zuständigen Behörde und der die Software übernehmenden Behörde
Vereinbarung der Behörden zur allgemeinen Kompatibilität und Koordination der Lösung
Operative Koordination Vereinbarung über Standards und die grundlegende Flexibilität der Software
Koordination der für eine Übernahme erforderlichen Anpassungen

System internationaler Übereinkommen von MERCOSUR

Die Länder der Wirtschaftsgemeinschaft MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) haben ein IKT-basiertes System implementiert, das den Austausch von Informationen für die multilaterale Vereinbarung der sozialen Sicherheit in der Region ermöglicht. Durch das System für internationale Abkommen der sozialen Sicherheit (SIACI) konnten die Effizienz und Qualität des Datenaustausches, der bis 2008 mittels Formularen in Papierform und herkömmlicher Postdienste erfolgte, gesteigert werden. Das System SIACI nutzt gesicherte Kommunikationskanäle mit digitalen Zertifikaten für einen sicheren Datenaustausch. Es speichert die von jedem Land angeforderten und gesandten Informationen für die Prüfung der Operationen für die multilateralen Vereinbarungen.

Der Austausch der Informationen zwischen den Ländern wurde damit flexibler, was die Gewährung von Leistungen beschleunigte und die Anerkennung des Rechts der Versicherten vereinfachte. Das System vereinfachte überdies die Arbeit der für die Leistungsbearbeitung zuständigen Abteilungen in den Institutionen der sozialen Sicherheit der einzelnen Länder, so dass sich das Vertrauen in die im Rahmen der Vereinbarung ausgetauschten Informationen erhöhte.

Für die Gestaltung und Umsetzung des Systems war eine operative Koordination der MERCOSUR-Länder erforderlich, insbesondere was die Architektur und die gewählten Technologien betraf. Auch für die Überwachung des Systembetriebs war eine operative Koordination erforderlich. Eine strategische Koordination wurde mit der Iberoamerikanischen Organisation für Soziale Sicherheit (Organización Iberoamericana de Seguridad Social, OISS) als vertrauenswürdiger Drittpartei vereinbart, damit diese das Transaktionsprotokoll und sensible Daten speichert (Landesanstalt für soziale Sicherheit, 2009).

Tabelle 9. Beispiele für die Koordination beim System internationaler Übereinkommen SIACI
SIACI
Strategische Koordination Vereinbarung zwischen den Ländern zur Implementierung des Systems SIACI
Vereinbarung mit der OISS als vertrauenswürdige Partnerin für die Speicherung sensibler Daten
Operative Koordination Koordination der Fachteams der Länder zur Festlegung der Anforderungen
Vereinbarung für die Nutzung von Open-Source-Software zur Vermeidung der Kosten, die bei Kauf oder Lizenzierung handelsüblicher Software anfallen

Schlussfolgerungen

Wie in diesem Artikel beschrieben, zeigen die Beispiele guter Praxis aus Amerika, wie auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Arten der Koordination erfolgreich umgesetzt wurden, was auch anderen Ländern den Weg für die Umsetzung solcher Initiativen weisen kann. Die genannten Fälle liefern zusammen mit dem analytischen Rahmen und den Referenzen zu Fällen in anderen Regionen (IAO et al., 2021) eine Grundlage, mit der sich Koordinationsinitiativen in der Region und darüber hinaus verstehen und weiterentwickeln lassen.

Eine gut verwaltete Koordination trägt wesentlich zur Governance der sozialen Sicherheit bei und ermöglicht die Ausweitung der Deckung und die Wahrung der Rechte der Leistungsempfänger. Koordinationsbedarf besteht allerdings nicht nur in der sozialen Sicherheit, und es ist ein regierungsweiter Ansatz erforderlich, der alle relevanten Akteure und Institutionen, seien sie öffentlich oder privat, mit einbezieht.

Gute Strategien, die auf dem Papier entworfen wurden, können fehlgehen, wenn es an der Koordination oder an der Umsetzung mangelt. Aber auch die Koordination ist kein Selbstgänger. Zwar braucht es allgemein ein bestimmtes Maß an Koordination, um komplexe Strategien und Programme der sozialen Sicherheit umzusetzen, aber dies reicht nicht immer aus. Gute Koordinationssysteme müssen auch durch starke politische Strategien gestützt werden.

Und schließlich müssen die Regierungen und Institutionen stets berücksichtigen, dass eine Koordination kostenaufwendig ist. Daher sollte immer das Kosten-Nutzen-Verhältnis ermittelt werden, bevor man komplexe Koordinationsinitiativen startet, da nicht für alle politischen Strategien wirklich eine Koordination erforderlich ist.

Denn es gilt, was bereits der Ökonom Sir Michael Jacobs sagte: „Alle glauben an Koordination, aber niemand will koordiniert werden.“

Referenzen

Bank für Sozialversicherung. 2017. Staatliche Software und kollaborative Entwicklung(Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Bundesverwaltung der Staatseinnahmen. 2016. Digitale arbeitsrechtliche Dokumente und Dokumente der sozialen Sicherheit - eine einzige Anlaufstelle und Datenquelle (digitales Lohnbuch) (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IAO et al. 2021. Governance of social protection systems: a learning journey - Module #1: Coordination. Genf: Internationales Arbeitsamt.

Landesanstalt für soziale Sicherheit. 2009. System Internationaler Übereinkommen - SIACI (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit. 

Ministerium für soziale Sicherheit. 2017. Nationale Kampagne zur Vermeidung von Arbeitsunfällen (CANPAT) (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Sekretariat für soziale Sicherheit. 2012. Gewerkschaftsvereinbarungen über die gemeinsame Verantwortung in der sozialen Sicherheit: Ein Werkzeug zur Förderung eines menschenwürdigen Arbeitsumfelds in ländlichen Gebieten (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Sekretariat für soziale Sicherheit. 2015. Intercosecha-Programm für die Zwischenerntezeit (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Sozialversicherungsanstalt Mexikos. 2020. Spezialisierte Betreuung für Frauen mit einer hochriskanten oder komplizierten Schwangerschaft oder geburtshilfliche Notfälle, die bei IMSS-BIENESTAR eingetragen sind, in Krankenhäusern der zweiten und dritten Ebene der Sozialversicherungsanstalt Mexikos (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit. 

UNDESA; IAA. 2021. Global research on governance and social protection – Global overview. New York, NY, Abteilung Wirtschaft und Soziales der Vereinten Nationen.