Dieser Artikel befasst sich mit Strategien der digitalen Transformation von Institutionen der sozialen Sicherheit, die das Ziel haben, ihren Nutzern und Leistungsempfängern bessere und effizientere Dienstleistungen anzubieten. Er bezieht sich auf Beispiele guter Praxis, die Mitglieder der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) aus der Region Asien und Pazifik der Vereinigung übermittelt haben.
Weltweit stehen die Institutionen der sozialen Sicherheit hinsichtlich ihres Betriebs vor einem Paradigmenwechsel. Die zunehmende wirtschaftliche Volatilität und der beschleunigte Bevölkerungswandel haben die Nachfrage nach Dienstleistungen von Systemen der sozialen Sicherheit exponentiell steigen lassen. Der Druck, das Transaktionsmodell der reaktiven Antragsbearbeitung zugunsten eines proaktiveren Ansatzes aufzugeben, um dem wachsenden Bedarf auf nutzerzentrierte Weise gerecht zu werden, war noch nie größer (Gujral, 2016). Gleichzeitig müssen die Institutionen ein Gleichgewicht zwischen Haushaltseinschränkungen und optimierten Nutzerergebnissen wahren. Hinzu kommt für die Institutionen, dass die Nutzer aufgrund des technologischen Wandels neue Anforderungen etwa hinsichtlich Dienstleistungsspektrum, Reaktionsschnelligkeit und maßgeschneiderte Dienstleistungen stellen. Die Institutionen der sozialen Sicherheit sehen die digitale Transformation deshalb vermehrt als Weg, um in diesem komplexen, ständig sich wandelnden Umfeld bestehen zu können.
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) spielen in der öffentlichen Verwaltung zwar schon seit einigen Jahrzehnten eine wichtige Rolle, aber die ersten Anstrengungen beschränkten sich darauf, dass Prozesse und Dienstleistungen online verfügbar gemacht wurden, um den Papierverbrauch und die persönlichen Kontakte zu verringern (OECD, 2021). Obwohl durch diesen Ansatz einzelne Prozesse beschleunigt werden konnten, standen weiterhin die staatlichen Bedürfnisse im Mittelpunkt, so dass die Erfahrungen der Nutzer je nach Situation unterschiedlich ausfielen. In den letzten Jahren haben die staatlichen Behörden einschließlich der Institutionen der sozialen Sicherheit ihren Ansatz überarbeitet, und sie ergänzen ihre IKT nun durch personelle Ressourcen, um den Nutzern eine wirklich neue Erfahrung zu bieten. Abbildung 1 zeigt die Hauptmerkmale der aktuellen digitalen Transformation im Gegensatz zum früheren IKT-Einsatz in den Institutionen.
Was bedeutet dies in der Praxis? Die Institutionen vollziehen nicht mehr nur eine Digitalisierung ihrer Nutzerschnittstellen, sondern sie haben außerdem ihre Geschäftsprozesse neu gestaltet, um mit digitalen Arbeitsabläufen besser auf die Nutzerbedürfnisse reagieren zu können. Sie bieten auch integrierte Dienstleistungen an, die auf einer Vernetzung der Institutionen und einer Nutzung externer Daten beruhen. Immer mehr Institutionen setzen neue Technologien wie Big Data, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz ein, um ihre operative Leistungsfähigkeit zu erhöhen, Betrug und Fehler zu bekämpfen und maßgeschneiderte (personalisierte) Dienstleistungen anzubieten (IVSS, 2019a). Wenn jedoch die Betriebsmodelle der Institutionen der sozialen Sicherheit immer mehr auf Daten und Technologien beruhen, dann müssen auch die organisatorischen Abläufe und die Kompetenzen des Personals entsprechend angepasst werden, denn nur so lässt sich das Potenzial der IKT voll ausschöpfen.
Abbildung 1. Hauptmerkmale der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor

Quelle: OECD (2020)
Die IVSS unterstützt ihre Mitgliedsinstitutionen auf deren Weg der digitalen Transformation. Insbesondere die Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie (IVSS, 2019b), die Leitlinien der IVSS über Good Governance (IVSS, 2019c) und die Leitlinien der IVSS zur Dienstleistungsqualität (IVSS, 2019d) wurden von vielen Mitgliedsinstitutionen als Ausgangspunkt für ihre Transformationsanstrengungen genommen. Jüngst wurde auch in Webinaren gezeigt, wie Länder in Afrika ihre Deckung durch digitale Transformation ausgeweitet haben und welche digitalen Transformationsstrategien von verschiedenen europäischen Mitgliedern verfolgt werden. Die IVSS unterstützt zudem die digitale Transformation des Ministeriums für Humanressourcen und soziale Sicherheit in China (Ministry of Human Resources and Social Security) durch eine entsprechende Studie, die Ende 2022 zum Abschluss kommen wird. Mit dem Ziel, gegenseitiges Lernen zu fördern, werden in diesem Artikel Beispiele guter Praxis aus der Region Asien und Pazifik zusammengefasst, die zum Wettbewerb um den IVSS-Preis für gute Praxis für Asien und den Pazifik 2021 eingereicht und auf dem Virtuellen Forum für soziale Sicherheit für Asien und den Pazifik sowie in Webinaren und auf anderen IVSS-Veranstaltungen bereits vorgestellt wurden. Sie können auch in der IVSS-Datenbank für gute Praxis eingesehen werden.
Erfahrungen von IVSS-Mitgliedsinstitutionen aus der Region Asien und Pazifik
Rentenkasse von Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate
Die Rentenkasse von Abu Dhabi (Abu Dhabi Pension Fund – ADPF) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten leitete Maßnahmen ein, um operative Ineffizienzen auszumerzen und die Einhaltung der Fristen, die Nutzererfahrungen und die Dokumentation für ihre 91 639 aktiven Mitglieder zu verbessern (Rentenkasse von Abu Dhabi, 2021). Die digitale Transformation führte auch dazu, dass neue Arbeitsmethoden angewendet wurden, darunter (i) gemeinsame Initiativen mit anderen Institutionen für verbesserte Dienstleistungen, (ii) behördlicher Datenaustausch zur Verringerung des Verwaltungsaufwands, (iii) Diversifizierung der Diensterbringungskanäle (z. B. Apps für mobile Geräte, Website), (iv) Automatisierung der Geschäftsprozesse durch neue Technologien und (v) Kapazitätsaufbau des Personals für ein effizientes Änderungsmanagement. Beim Strategiefindungsprozess stützte man sich stark auf Leitlinie 3 über „IKT-Strategie und Innovationsausblick“ der Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie. Der Transformationsprozess wurde von Änderungen der Governance-Struktur der Institution begleitet, unterstützt durch eine umfassende Governance-Beurteilung. Die Rentenkasse von Abu Dhabi stellte auch sicher, dass bei der digitalen Transformation internationale Normen wie ISO 20001 und ISO 27001 beachtet wurden.
Die Menge der abgefragten Informationen bestätigt, wie wirksam die digitale Transformationsstrategie der Rentenkasse gewesen ist. So wurden im Jahr 2020 insgesamt 94 Prozent der knapp 81 000 Transaktionen in digitaler Form abgewickelt. Außerdem wurden die Erbringungskanäle immer weiter diversifiziert, was sich darin zeigt, dass bis Januar 2021 fast 60 Prozent der Nutzer die mobile Anwendung heruntergeladen hatten.
Staatliche Rentenanstalt (heute Teil der Allgemeinen Anstalt für Sozialversicherung), Saudi-Arabien
Der doppelte Druck durch die COVID-19-Pandemie und die gestiegene Nachfrage der Nutzer nach effizienten Dienstleistungen hat die digitale Transformation in der Staatlichen Rentenanstalt (Public Pension Agency – PPA), die heute Teil der Allgemeinen Anstalt für Sozialversicherung (General Organization for Social Insurance – GOSI) ist, stark beschleunigt (Allgemeine Anstalt für Sozialversicherung, 2019). Zu den wichtigsten Reforminitiativen gehörten:
- Ausweitung der elektronischen Dienstleistungen, die eine Verdoppelung der Besucherzahlen auf der Website im Zeitraum von 2019 bis 2020 bewirkten, sowie neue Initiativen wie Übermittlung von Finanzdaten und ein Rentenrechner;
- Vereinfachung der mobilen Nutzererfahrung, was zwischen 2019 und 2020 zu einer Zunahme der Downloads um 130 Prozent führte. Die Downloads hatten auch gestiegene Nutzungszahlen zur Folge. So verdreifachte sich die Zahl der Lohnabfragen über Mobiltelefone im selben Zeitraum;
- sichere Datenintegration zwischen verschiedenen Systemen der Rentenanstalt und externen Systemen für eine papierlose Arbeitsumgebung;
- Nutzung von Datenanalysen für ausgetauschte Daten, um Betrug und Fehler über den KI-gestützten Motabaqat besser kontrollieren zu können;
- Einrichtung einer internen Struktur zur Förderung der Telearbeit und der virtuellen Kommunikation.
Anstalt für soziale Sicherheit, Jordanien
Die jordanische Anstalt für soziale Sicherheit (Social Security Corporation – SSC) gab mit ihren rund 1,4 Millionen Mitgliedern das Ziel aus, mittels digitaler Transformation Dienstleistungen hoher Qualität zu erbringen. Sie plante, mit Hilfe der Digitalisierung Herausforderungen im Zusammenhang mit der verzögerten Dienstleistungserbringung, dem hohen Verwaltungsaufwand und der beschränkten Skalierbarkeit physischer Abteilungen zu bewältigen. Der Transformationsplan umfasste 26 Initiativen in den Bereichen Infrastrukturentwicklung, Personalinvestitionen, Befriedigung der Bedürfnisse der Dienstleistungsempfänger und Entwicklung von Partnerschaften mit wichtigen Akteuren für ein Angebot elektronischer Rundum-Dienstleistungen. Um den Plan umzusetzen, ging die Anstalt für soziale Sicherheit strategische Partnerschaften mit staatlichen Partnern wie der Zentralbank Jordaniens und mit privatwirtschaftlichen Partnern wie einem lizenzierten Unternehmen für elektronischen Zahlungsverkehr und einem Unternehmen für Web-Design ein. Ziel war es, eine zuverlässige, inklusive und sichere Erbringung elektronischer Dienstleistungen für alle Kategorien von Dienstleistungsempfängern sicherzustellen. Insgesamt 1,5 Millionen Nutzer verwendeten diese elektronischen Dienstleistungen im Jahr 2020, was seit 2018 einer Verhundertfachung entspricht. Die Zahl der angebotenen elektronischen Dienstleistungen stieg von 36 im Jahr 2018 deutlich auf 81 im Jahr 2021 (Anstalt für soziale Sicherheit, Jordanien, 2020).
Iranische Organisation für soziale Sicherheit, Islamische Republik Iran
Aufgrund der COVID-19-Krise sah sich die Iranische Organisation für soziale Sicherheit (Iranian Social Security Organization – ISSO) gezwungen, ihren Betrieb auf digitale Dienstleistungsmodelle umzustellen. Zu Beginn der Pandemie erbrachte die Institution ihre Dienste für ihre 45 Millionen Mitglieder – fast die Hälfte der Landesbevölkerung – hauptsächlich über ihre 558 Niederlassungen. Das Projekt der digitalen Transformation mit der Überschrift „Projekt 3070“ hatte das Ziel, 30 Dienstleistungen der Institution in digitaler Form anzubieten, um so Betriebsunterbrüche während der COVID-19-Pandemie zu vermeiden und die Diensterbringungskanäle auch langfristig zu diversifizieren. Zu diesen Dienstleistungen gehörten die Anmeldung für verschiedene Beihilfen, die Auszahlung an Antragsteller, verschiedene Mitteilungen und die Ausgabe von Bescheinigungen. Mit diesem Projekt sollten die Dienstleistungen kosteneffizient ausgebaut und gleichzeitig eine Erbringung hoher Qualität sichergestellt werden (Iranische Organisation für soziale Sicherheit, 2020).
Zwischen Ende 2020 und Anfang 2021 konnten die Transaktionen von 22 dieser 30 Dienstleistungen zu mindestens 90 Prozent in digitaler Form abgewickelt werden. Eine genauere Auswertung der Online-Auszahlung für Hochzeitsbeihilfen zeigt, welche Einsparungen durch die Digitalisierung erzielt werden konnten. Bei der papierbasierten Dienstleistung brauchten die Nutzer fünf Stunden, um acht Dokumente auszufüllen, und die Bearbeitung durch die Verwaltung dauerte eine Stunde. Die elektronische Dienstleistung verringerte den Zeitaufwand der Nutzer auf zwei Stunden und der Verwaltung auf eine halbe Stunde. Diese Prozesstransformation wurde durch Datenaustausch und eine automatisierte Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ermöglicht, was für die Nutzer und Verwaltungsfachleute keinerlei zusätzlichen Zeitaufwand bedeutete.
Anstalt für soziale Sicherheit, Philippinen
Aufgrund der sich ausbreitenden COVID-19-Pandemie beschleunigte die Anstalt für soziale Sicherheit (Social Security System – SSS) der Philippinen im Jahr 2020 ihre Initiativen zur digitalen Transformation der Institution. Die Anstalt für soziale Sicherheit leitete Maßnahmen ein, um die Zahl der Diensterbringungskanäle zu erhöhen und die Reaktionsschnelligkeit der Dienstleistungen durch digitalisierte Dienste zu verbessern (Anstalt für soziale Sicherheit, Philippinen, 2020). Während der Pandemie konzentrierte sie sich darauf, einige Kernprozesse zu digitalisieren: Anmeldung, Beitragszahlung, Kreditvergabe und Leistungsanträge. Dieser Digitalisierungsprozess stützte sich auf Leitlinie 6 über „Einführung elektronischer Dienstleistungen“ der Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie. Ein Strategieplan für Informationssysteme steuerte die bedeutenden neuen Investitionen in IT-Systeme, so dass 2020 sieben neue IT-Systeme implementiert werden konnten. Die Verbesserung der Dienstleistungsqualität zeigt sich darin, dass der Anteil der Online-Transaktionen von 35 Prozent im Jahr 2019 auf 75 Prozent im Jahr 2020 stieg.
Ergebnisse
In Tabelle 1 sind die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst, welche die Mitgliedsinstitutionen der Region durch ihre digitalen Transformationsprozesse erreicht haben.
Institution | Erzielte Ergebnisse |
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Rentenkasse von Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate |
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Iranische Organisation für soziale Sicherheit, Iran | Während vier Monaten wurden insgesamt 30 Millionen persönliche Besuche weniger verzeichnet. |
Staatliche Rentenanstalt/Allgemeine Anstalt für Sozialversicherung, Saudi-Arabien |
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Anstalt für soziale Sicherheit, Jordanien | Die Institution erzielte zwischen 2018 und 2020 deutliche Verbesserungen:
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Anstalt für soziale Sicherheit, Philippinen |
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Erfolgsentscheidende Faktoren
Bei den Erfahrungen dieser Institutionen der sozialen Sicherheit zeigte sich, dass verschiedene Faktoren für ihre digitale Transformation erfolgsentscheidend waren.
Zentral war bei allen Institutionen eine klare, durch eine starke Führung getragene Strategie. Mit einer kohärenten langfristigen Strategie lassen sich operative Veränderungen zielführend umsetzen, und dies gelingt am besten, wenn sich die Führung der Institution engagiert für die gewählte Strategie einsetzt. So ist es der Rentenkasse von Abu Dhabi gelungen, ihre Ziele dank einer allgemeinen digitalen Transformationsstrategie, unterteilt in spezifische strategische Pläne, voll und ganz zu erreichen. In ähnlicher Weise wurden die digitalen Transformationsprozesse der Anstalt für soziale Sicherheit Jordaniens eng von einem Strategieplan für digitale Transformation für die Jahre 2018 bis 2022 begleitet. Auch die Iranische Organisation für soziale Sicherheit entwickelte eine gemeinsame Vision ihrer digitalen Zukunft sowie allgemeine Digitalisierungsstandards für Dienstleistungen, bevor sie sich in das Abenteuer Digitalisierung stürzte. In der IVSS-Analyse über Entwicklung der Verwaltungspraxis – Asien und Pazifik wird dieses Thema weiter vertieft.
Die Strategie muss mittels einer geeigneten und flexiblen Governance-Struktur umgesetzt werden. Das Erreichen der digitalen Transformationsziele einer Institution kann durch verschiedene Risiken gefährdet werden, und deshalb ist es vor allem wichtig, eine wirksame Governance-Struktur einzurichten, um diese Risiken zu erkennen und Eindämmungsmaßnahmen zu ergreifen. So war für die Staatliche Rentenanstalt Saudi-Arabiens der Widerstand seitens der Mitarbeitenden gegen technologische Lösungen ein erhebliches Risiko, das ausgeräumt werden musste, und dies gelang dank des gewählten Transformationsprozesses. Die jordanische Anstalt für soziale Sicherheit erweiterte ihre Organisationsstruktur 2018 um eine neue Abteilung für elektronische Transformation, die den Veränderungsprozess wirksam steuerte und verwaltete.
Die Digitalisierung verschiedener Prozesse, die Datenintegration und automatisierte Analyseverfahren erlauben exponentielle Nutzungssteigerungen. In Abu Dhabi trug die Datenintegration der Rentenkasse mit 26 Behörden auf Lokal- und Landesebene erheblich dazu bei, dass die Ziele der digitalen Transformation erreicht werden konnten, da durch den Datenaustausch eine automatisierte und papierlose Antragsbearbeitung möglich war. Die Integrationsplattform der Staatlichen Rentenanstalt Saudi-Arabiens erlaubte eine reibungslose Nutzererfahrung dank des Datenaustauschs mit 32 Behörden und Partnerorganisationen mit einem Volumen von insgesamt 183 973 490 Transaktionen. In ähnlicher Weise erreichte die Iranische Organisation für soziale Sicherheit dank des Datenaustauschs mit anderen Institutionen eine deutlich gesteigerte Prozesseffizienz.
Ein robustes System für kontinuierliche Überwachung und Auswertung ist das Rückgrat jeder erfolgreichen digitalen Transformationsstrategie. Mit klaren und vergleichbaren Messwerten sind die Institutionen in der Lage, die Nutzung der neuen Dienstleistungen zu erfassen und im Bedarfsfall Maßnahmen einzuleiten. Vor allem ist es wichtig, beurteilen zu können, inwieweit die Dienstleistungen auch von vulnerablen Gruppen (je nach Alter, Invaliditätsgrad oder Geschlecht) angenommen werden (Barca et al., 2021). Die Iranische Organisation für soziale Sicherheit setzte nutzerfreundliche Übersichten ein, die verständliche und aufschlussreiche Statistiken lieferten, und damit ließ sich erkennen, ob der Digitalisierungsprozess zu Ausschlusseffekten führte. Die Anstalt für soziale Sicherheit Jordaniens führte einen gewichteten Index ein, um zu erfassen, ob die Ziele der elektronischen Transformation erreicht wurden, und der Wert dieses Indexes stieg von 40 Prozent im Jahr 2018 auf 86 Prozent 2020.
Eine ausführliche Sensibilisierung sowohl der Mitglieder als auch der Dienstleister kann die Akzeptanz digital transformierter Dienstleistungen deutlich erhöhen. Die jordanische Anstalt für soziale Sicherheit intensivierte ihre Anstrengungen, um die neuen Kanäle bekanntzumachen und das Bewusstsein der Mitarbeitenden für eine beschleunigte Umstellung auf digitale Dienstleistungen zu schärfen. Auch die Iranische Organisation für soziale Sicherheit startete gezielte Kampagnen in verschiedenen Medien, um die Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen anzukurbeln.
Es braucht gezielte Maßnahmen, wenn die digitalen Modelle kein weiteres Inklusionshindernis werden sollen. Eine ungleiche Verfügbarkeit digitaler Infrastrukturen (Internet, Telefonservice) sowie fehlende digitale Kompetenzen stellen ein großes Risiko für die digitale Transformation einer Institution dar. Die Anstalt für soziale Sicherheit der Philippinen erkannte, dass 67 Prozent der Filipinos unzureichenden Internetzugang haben und nur 23 Prozent der Bevölkerung über ein Bankkonto verfügt, so dass darauf geachtet werden musste, dass niemand von den neuen elektronischen Dienstleistungen ausgeschlossen wird. Im Fall der Islamischen Republik Iran zählte die digitale Inklusion zu den erklärten Zielen des digitalen Transformationsprojekts: Die Iranische Organisation für soziale Sicherheit bot Schulungen für spezifische vulnerable Gruppen an und stattete sie mit kostenlosen SIM-Karten aus, damit sie auf digitale Dienstleistungen zugreifen können. Die jordanische Anstalt für soziale Sicherheit richtete ein zentrales Callcenter ein, um ihren Mitgliedern dabei zu helfen, ihre Dienstleistungen fortan digital abzuwickeln, und erreichte so 2020 fast 1,2 Millionen digitale Transaktionen, was im Vergleich zu 2018 einer Zunahme von 150 Prozent entspricht.
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine digitale Transformation, die sich auf eine ausgearbeitete Strategie und ein starkes Engagement der Führung stützt, den Institutionen der sozialen Sicherheit erlaubt, ihre Kapazitäten exponentiell auszubauen. Ungeachtet der Ziele der digitalen Transformation – seien dies der Ausbau bestehender oder die Entwicklung neuer Dienstleistungen, die verbesserte Effizienz der Geschäftsprozesse oder deren Neugestaltung oder auch die Konsolidierung der IT-Systeme – ist vor allem die langfristige Strategie entscheidend. Außerdem ist es wichtig, dass man für den Transformationsprozess einen agilen und modularen Ansatz wählt, um mit den schnellen Veränderungen bei Technologien und Nutzerbedürfnissen Schritt halten zu können. Ebenfalls unerlässlich ist ein Governance-Rahmen für die Digitalisierung, damit es die Institutionen sind, die ihre Technologien steuern, und sie nicht von ihnen gesteuert werden. Neben der Anwendung in Transformationsprogrammen ist der Governance-Rahmen auch ein wichtiges Instrument für die dauerhafte Steuerung der Digitalisierung innerhalb einer Institution, insbesondere im Hinblick auf strukturelle und personelle Faktoren (Ruggia-Frick, 2021). Der Weg der digitalen Transformation birgt zahlreiche Herausforderungen. Dank der Digitalisierung können die Institutionen aber genau diejenigen Kapazitäten aufbauen, die es braucht, um mit den verfügbaren Ressourcen einen Mehrwert zu schaffen und eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Diese Themen waren auch Gegenstand der 16. Internationalen IVSS-Konferenz über Informations- und Kommunikationstechnologie in der sozialen Sicherheit sowie von Webinaren über digitale Transformation in Ostafrika und in Europa, die einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und Austausch von Wissen unter IVSS-Mitgliedern in diesen für Institutionen der sozialen Sicherheit so wichtigen Fragen leisten.
Referenzen
Anstalt für soziale Sicherheit, Jordanien. 2018. Elektronische Transformation in der Anstalt für soziale Sicherheit zur Berücksichtigung der Bedürfnisse der Leistungsempfänger (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
Anstalt für soziale Sicherheit, Jordanien. 2020. Schaffung einer Abteilung für Digitalisierung - Ein neuer Mechanismus für die Bewältigung digitaler Herausforderungen (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
Anstalt für soziale Sicherheit, Philippinen. 2020. Beschleunigung der transformativen Digitalisierung (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
Barca, V. et al. 2021. Inclusive information systems for social protection: Intentionally integrating gender and disability. London, Foreign, Commonwealth & Development Office.
Gujral, G. 2016. „Reshaping the social security agency around improved human capital and technology“, in International Social Security Review, Bd. 69, Nr. 3-4.
Iranische Organisation für soziale Sicherheit. 2020. Projekt 3070: Digitale Transformation der Iranischen Organisation für soziale Sicherheit während der COVID-19-Pandemie (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2019a. Einsatz neuer Technologien in der sozialen Sicherheit (Zusammenfassender Bericht 2017-2019). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2019b. Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie (Erweiterte Ausgabe). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2019c. Leitlinien der IVSS über Good Governance (Überarbeitete Ausgabe). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2019d. Leitlinien der IVSS zur Dienstleistungsqualität (Erweiterte Auflage). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
OECD. 2020. The OECD digital government policy framework. Paris, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
OECD. 2021. Development co-operation report 2021: Shaping a just digital transformation. Paris, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Rentenkasse von Abu Dhabi. 2021. Digitale Transformation: Wie die Rentenkasse von Abu Dhabi die digitale Transformation durch einen rentnerorientierten Ansatz herbeiführt (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
Ruggia-Frick, R. 2021. Digital transformation – introduction (Webinar, 18. November). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
Staatliche Rentenanstalt. 2019. Die digitale Transformation der Staatlichen Rentenanstalt (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.