Betrug ist für die Gesundheitssysteme weltweit zu einer großen Bedrohung geworden. Während die Institutionen der sozialen Sicherheit ständig versuchen, ihre Prozesse durch fortgeschrittene Analyseverfahren und Künstliche Intelligenz zu verbessern, um Betrug wirksamer und effizienter zu erkennen und zu überwachen, stellt sie die Einführung derartiger neuer Technologien oft vor große Herausforderungen.
Die öffentlichen Haushalte stehen weltweit unter großem Druck. Die schnell steigenden Gesundheitskosten, teilweise bedingt durch technologische Fortschritte und eine alternde Bevölkerung, verlangen von den Ländern, dass sie die knappen Ressourcen ihrer Gesundheitssysteme gezielter einsetzen, um diejenigen Menschen zu erreichen, die am meisten darauf angewiesen sind. Der Gesundheitssektor ist ein zentraler Bestandteil der sozialen Sicherheit und macht einen großen Teil des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Da dabei in vielen Einzeltransaktionen große Geldbeträge bewegt werden, handelt es sich für Betrüger um ein attraktives Ziel.
Die Coronapandemie hat die Gesundheitsversorgung stark beeinträchtigt. Die Gesundheitssysteme waren dank schneller Veränderungen der Praxis bei Abrechnungen, telemedizinischen Leistungen und Gesundheitsleistungen auf Rezept zwar in der Lage, ihre Gesundheitsversorgung erfolgreich anzupassen; diese schnellen Anpassungen boten jedoch auch Möglichkeiten für Betrug und Verschwendung.
Obwohl die Mehrheit der Gesundheitsdienstanbieter ehrlich und guten Willens ist, hat betrügerisches Verhalten (siehe Definition weiter unten) direkte negative Auswirkungen auf die Nutzung von Gesundheitsdienstleistungen. Bereits knappe Ressourcen werden verschwendet und Patienten möglicherweise gefährdet, wenn sie eine nicht erforderliche Behandlung erhalten oder keinen Zugang zu derjenigen medizinischen Behandlung haben, die sie benötigen. Das durch Betrug verloren gegangene Geld steht dann nicht mehr für die Finanzierung der Prävention, für die Rückzahlung von Innovationen und für die Investition in Programme zur Verfügung, die einen gerechten Zugang zu einer Versorgung hoher Qualität sicherstellen sollen. Im Durchschnitt machen die Verluste aufgrund von Betrug und Fehlern über sechs Prozent der Gesundheitsausgaben der Länder aus (OECD, 2017).
Auch die Gesundheitsversorgung und die Krankenversicherung sind anfälliger für Betrug geworden, der per se versteckt vonstatten geht und schwer zu ermitteln ist. Die erfassten Betrugsbeträge im Gesundheitswesen werden Jahr für Jahr größer (EHFCN, 2017). Herkömmliche Methoden zur Aufdeckung von Betrug im Gesundheitswesen, die sich oft auf eine Erkennung ex post beschränken, anstatt dass präventiv möglichen Betrugsversuchen vorgebeugt wird, scheinen bislang nicht sehr effizient und wirksam zu sein. Gesundheitsversorgungsdaten lassen sich nur schwer abgleichen, und Inspekteure können die Transaktionen nicht manuell in Echtzeit überwachen. Ein wirksamerer Weg, Betrug und Missbrauch vorzubeugen, besteht deshalb darin, ihn aufzudecken, noch bevor die Anträge ausgezahlt werden. Bei der Bekämpfung unrechtmäßiger Ausgaben im Gesundheitswesen hat entsprechend ein Paradigmenwechsel von der Nachverfolgung hin zur Prävention stattgefunden.
Dieser Wechsel wird durch den Einsatz neuer Technologien unterstützt. Die Technologien zur Betrugsaufdeckung und -prävention haben enorme Fortschritte gemacht. Die durchschnittliche Zeit bis zur Aufdeckung eines Falls wurde verringert, und die Untersuchungen können schneller, umfassender und genauer vorgenommen werden. Es wurden auch Anstrengungen unternommen, um die Betrugserkennung durch Computermethoden mit Data Mining bei Krankenversicherungs-Rückerstattungsansprüchen zu automatisieren und Ansätze mit neuen Technologien einzuführen, um Gesundheitsleistungsanträge besser überprüfen zu können.
Eine Typologie der Verstöße
Ein gutes Verständnis der Typologie der Betrugsphänomene im Gesundheitswesen ist entscheidend, wenn man für die Good Governance von Gesundheitssystemen geeignete Strategien entwickeln will. Dabei ist es wichtig, Standarddefinitionen einzuführen, um die Kommunikation und den Datenaustausch zu verbessern, denn nur so können internationale Vergleiche durchgeführt und gezielte Maßnahmen ergriffen werden.
Betrug und Missbrauch im Gesundheitswesen betreffen alle Bereiche der Gesundheitsversorgung, seien dies Arzneimittel- und Gerätehersteller, Krankenhäuser, Apotheken, Ärzte, Lieferanten, Händler, Labors, Patienten und Zahlstellen. Die am stärksten betroffene Gruppe könnten die Zahlstellen sein, sowohl die öffentlichen als auch die privaten. Betrug im Gesundheitswesen kommt in verschiedenen Formen vor. Dazu gehören auch Schmiergelder, falsche Anträge und unrechtmäßige Selbstüberweisungen.
Definitionen von Fehlern, Hinterziehung und Betrug
Fehler, Hinterziehung und Betrug sind für Institutionen der sozialen Sicherheit keineswegs ein neues Thema. Die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) erarbeitete 2017 mit ihren Mitgliedern weltweit die effizientesten Methoden im Umgang mit der Problematik, sei dies bei der Vorbeugung, damit es gar nicht erst zu Betrug kommt, oder der Bekämpfung von Fällen, da wo sie auftreten (IVSS, 2019a). Die Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit decken die komplexen Risiken in diesem Bereich nach einem Risikomanagementmodell ab und betonen, wie wichtig es ist, bei der Prävention, Aufdeckung und Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug – ob seitens von Institutionen oder seitens von Leistungsempfängern – einen integrierten und ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen. Das Modell beruht auf folgenden Definitionen aus diesen Leitlinien:
- Fehler: Fehler sind nicht vorsätzlich begangene Irrtümer, die bei der Anwendung der festgelegten Regeln und bei der Leistungs- und Beitragsberechnung auftreten. Diese Fehler können durch Störungen bei der Informationsübertragung oder -verarbeitung entstehen, durch Fehlfunktionen bei administrativen Prozessen oder durch fehlende berechtigte Leistungsanträge.
- Hinterziehung: Unter den Begriff Hinterziehung fallen Tätigkeiten, mit denen die geltenden Gesetze und Bestimmungen oder Lücken in Betrugsbekämpfungssystemen ausgenutzt werden, um höhere Leistungen zu erhalten oder geringere Beiträge zu zahlen. Im Bereich der Gesundheitsleistungen oder der Bereitstellung von Dienstleistungen für Systeme der sozialen Sicherheit und ihre Leistungsempfänger gehört auch zur Hinterziehung, wenn bei der Durchführung der entsprechenden Betriebsabläufe Missbrauch betrieben wird.
- Betrug: Betrug umfasst alle vorsätzlichen Tätigkeiten von Leistungsempfängern, Beitragszahlern oder Dienstleistern, die gegen die festgelegten Regeln verstoßen, um für sich oder für Dritte unberechtigte Leistungen von Systemen der sozialen Sicherheit zu erhalten. Dazu gehören auch falsche Angaben, sofern der Vorsatz derselben nachgewiesen werden kann.
Außerdem wurden zweigspezifische Aspekte auch in verschiedenen bereichsübergreifenden Leitlinien der IVSS berücksichtigt, wie in den Leitlinien der IVSS über Good Governance, in den Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie und in den Leitlinien der IVSS zur Dienstleistungsqualität. Die Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie enthalten zudem spezifische Kapitel über elektronische Gesundheitsleistungen und über Geschäftsprozesse, und in diesen Kapiteln wird auch auf die unterschiedlichen Zweige eingegangen (IVSS, 2019b).
Die Matrix der Verschwendungsarten des EHFCN
In den letzten Jahren hat das European Healthcare Fraud & Corruption Network (Europäisches Netzwerk über Betrug und Korruption im Gesundheitswesen, EHFCN) eine Vorreiterrolle übernommen, indem es eine Typologie entwickelte, die zwischen Fehlern, Missbrauch, Betrug und Korruption im Gesundheitssektor unterscheidet. Betrug wird dabei definiert als „die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel oder Eigentumswerte unrechtmäßig erlangt oder zurückbehalten werden, das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht mit derselben Folge oder die missbräuchliche Verwendung solcher Mittel oder Eigentumswerte zu anderen Zwecken als denen, für die sie ursprünglich gewährt worden sind“. (EHFCN, 2017)
Im Kontext einer angemessenen medizinischen Behandlung (siehe auch das IVSS-Webinar über Improving appropriate care in the hospital sector (Verbesserung der Behandlung im Krankenhaussektor)) lässt sich Betrug oft nur schwer von Verschwendung unterscheiden. Während Betrug stets einen Vorsatz enthält, erfolgt Verschwendung oft unbeabsichtigt. Um die Komplexität des Themas besser verständlich zu machen, hat das EHFCN im Jahr 2014 eine Waste Typology Matrix© (Matrix der Verschwendungsarten) veröffentlicht, in der verschiedene Verschwendungsarten in einer Skala mit zunehmendem Vorsatz unterschieden werden:
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Ohne Anspruch auf Vollständigkeit können folgende Betrugsarten unterschieden werden:
- Verrechnung einer überteuerten Behandlung: Wenn nach der Erbringung einer Gesundheitsleistung anstatt der tatsächlich erbrachten Leistung aus Abrechnungsgründen eine teurere Leistung verrechnet wird. Diese Art des Verstoßes wird meist mit „Höherstufung“ (upcoding) bezeichnet und ist sehr verbreitet.
- Verrechnung nicht erbrachter Dienstleistungen.
- Erbringung unnötiger Dienstleistungen.
- Andere Betrugs- oder Korruptionsformen wie Verrechnung von Forderungen für öffentliche Dienstleistungen, betrügerische Verträge oder betrügerische Beschaffungspraktiken.
Der Einsatz von Technologien zur Prävention und Aufdeckung von Betrug im Gesundheitswesen
Die herkömmlichen Methoden zur Aufdeckung von Betrug im Gesundheitswesen haben sich als weitgehend ineffizient und unwirksam erwiesen. Der Gesundheitsdienstleister stellt nach der Erbringung einer Dienstleistung für einen Patienten gewöhnlich eine Rechnung, die dann geprüft und durch die Zahlstelle beglichen wird. Bei dieser Praxis wird jedoch ein entscheidender Akteur außer acht gelassen, nämlich der Patient, für den die Dienstleistung erbracht wurde. Außerdem sind für die Anstrengungen zur Aufdeckung von Betrug im Gesundheitswesen aufwendige Nachforschungen erforderlich, die meist erst nach der Auszahlung der unrechtmäßigen Anträge erfolgen. So kann es Jahre dauern, bis die Nachweise zur strafrechtlichen Verfolgung und zur Rückzahlung der Mittel zusammengetragen sind. Ein wirksamerer Weg, Betrug zu verhindern, besteht zweifellos darin, ihn aufzudecken, noch bevor die Anträge ausgezahlt werden.
Die in der Betrugsbekämpfung und -prävention eingesetzten Technologien haben durch datenbasierte Innovationen wie rechnerische Verfahren, Data Mining, Analysetechnologien, maschinelles Lernen und andere Formen der Künstlichen Intelligenz (KI) enorme Fortschritte gemacht, und es wurden verschiedene Verfahren entwickelt. Dazu gehören beispielsweise:
- biometrische Erkennung durch Fingerabdruck-Scanner, Iris-Scanner oder Gesichtserkennung zur Verbesserung von Identifikationsverfahren als Sicherheitsmaßnahme;
- prädiktive Modellierung durch Data Mining, prädiktive Analyseverfahren und quantitative Analysen zur Aufdeckung von Betrugsmustern im Verhalten von Dienstleistungsanbietern;
- KI-basierte Mustererkennungsverfahren zum angepassten, durch Lernen verbesserten und automatisierten Erkennen von Codier- und Rechnungsfehlern, was Zeit, Geld und Ressourcen spart;
- durch Blockchain-Verfahren können Daten vor einer Löschung oder Änderung durch gängige Betrugsverfahren geschützt und Prozesse nachverfolgbar gestaltet werden.
Obwohl die Datensätze im Gesundheitswesen sehr groß sein können (Daten von Verschreibungen für eine Untersuchung, von Arztbesuchen, von stationären Behandlungen, von Verschreibungen für Gesundheitsprodukte und für Arzneimittel), sind sie in der Regel gut strukturiert. Dank der Anwendung von Algorithmen mit maschinellem Lernen können diese Daten besser, schneller und genauer analysiert werden als dies bei herkömmlichen Betrugserkennungsmethoden üblich ist, so dass in Echtzeit auf umfangreiche Informationen zugegriffen werden kann. Dabei gibt es verschiedene Verfahren für die Klassifizierung, Gruppierung, Entscheidungsfindung und Erkennung (Gesichtserkennung).
Die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Prävention und Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten wird in den Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie behandelt (IVSS, 2019b). Dank fortgeschrittener Informationssysteme und Big-Data-Initiativen ist es heute möglich, wirksame Maßnahmen gegen Fehler, Hinterziehung und Betrug einzuleiten. Und durch einen intensiveren Austausch zwischen den Institutionen lässt sich auch die Nutzung gemeinsamer Datenbanken wirksamer gestalten.
Aufdeckung von Regelverstößen und Unstimmigkeiten
Mit Rechnungsprüfungs- und Aufdeckungssystemen für Betrug im Gesundheitswesen wird versucht, die Zahlstellen auf folgende Arten zu schützen:
- Erkennung von Unstimmigkeiten und regelverstoßenden Verhaltensweisen;
- Aufdeckung und Prävention vorschriftswidriger Zahlungen, indem diese für eine Überprüfung vorgemerkt werden;
- ständiges Data Mining zur Aufdeckung neuer betrügerischer Muster und zur Festlegung neuer Regeln.
Zur Erkennung von Regelverstößen und Unstimmigkeiten werden oft Datenanalysen eingesetzt. Ein Regelverstoß kann dabei relativ einfach zu erkennen sein, beispielsweise bei einer Zahlung, deren Betrag über einem bestimmten Höchstbetrag liegt. Dennoch gilt dies noch nicht als Beweis für einen Betrug. Derartige Muster können auch durch Verwaltungsfehler bedingt sein, beispielsweise wenn Tätigkeiten den Patienten falsch zugeordnet werden. Von Unstimmigkeiten spricht man, wenn die Transaktionen von Dienstleistern, Patienten, Versicherern oder für Behandlungen Muster aufweisen, die stark vom üblicherweise erwarteten Muster abweichen. Genau wie bei der Aufdeckung von Verstößen sind dann weitere Untersuchungen erforderlich, um nachdem die Unstimmigkeit erkannt wurde herauszufinden, was wirklich passiert ist.
So etwa setzt in Griechenland die Landesanstalt für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen (National Organisation for the Provision of Health Services – EOPYY) Künstliche Intelligenz ein, um Betrug in Verschreibungsdaten zu erkennen. Dies wurde gerichtlich mit dem Argument angefochten, dass „ein Algorithmus keine sicheren Ergebnisse liefern und auch keine menschliche Kontrolle von Rechnungen ersetzen kann“ (Staatsrat / gerichtliche Nachprüfung, 2022). Die gewählte Methode stellte jedoch einerseits sicher, dass die Probe zufällig gewählt wurde, und andererseits, dass bei der Bewertung des Probenergebnisses die mathematische Theorie der Wahrscheinlichkeitsrechnung angewendet wurde. Das Gericht hielt daher fest, dass „sich die in der Rechnungsprüfung verwendeten wissenschaftlichen Methoden als ausreichend erwiesen haben, um für Objektivität, Gültigkeit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit der gezogenen Schlussfolgerung zu sorgen“ (Urteil 580/2021, Staatsrat).
Künstliche Intelligenz mag zwar neue Impulse für die Aufdeckung von Betrug im Gesundheitswesen geben, aber der Zweck eines KI-Systems sollte es lediglich sein, die von Experten durchgeführten Betrugserkennungsprozesse zu begleiten, und nicht, sie gänzlich zu ersetzen (IVSS, 2019c und 2020). Der Einsatz von KI wirft zudem Fragen zum Datenschutz, zur Ethik und zur Cybersicherheit auf, wie in einem neuen IVSS-Bericht über Stärkung der Cybersicherheit in der sozialen Sicherheit beschrieben wird.
Investitionen in IKT
Der Einsatz neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz dürfte mit der schnell wachsenden Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten immer mehr zunehmen (IVSS, 2019a und 2019c). Ein zentraler Aspekt der Betrugserkennung besteht darin, dass man in IKT investiert, um die Wirksamkeit der Betrugsbekämpfung zu erhöhen. Dazu gehört auch, dass in Systeme und Personalressourcen investiert wird, die auf die Erkennung von Betrug und von betrügerischem Verhalten spezialisiert sind, da sich die Vorgehensweisen in einem digitalen Umfeld schnell weiterentwickeln.
In Indonesien investierte die Behörde für soziale Sicherheit im Gesundheitssektor (BPJS Kesehatan) in Big-Data-Analyseverfahren und in die Entwicklung von Business-Intelligence-Lösungen, um Verhaltenstrends besser zu verstehen und zu analysieren und so entsprechenden Betrug zu bekämpfen, wie folgende Beispiele guter Praxis zeigen (2021):
- Maschinelles Lernen und Big Data: Unterstützung der Entscheidungsfindung bei der Betrugserkennung beschreibt, wie sich durch maschinelles Lernen mögliche Betrugsfälle nun viel schneller und effizienter erkennen lassen, wodurch sich die Zeit für die Suche verkürzt, die Prognosen dank der großen Datenmengen genauer werden und die Lösung letztlich kostengünstiger wird. Bis zum 31. Dezember 2020 konnten so 30 000 mögliche Betrugsfälle gefunden werden, was potenzielle Einsparungen in Höhe von 603,73 indonesischen Rupiah (IDR) oder 41,93 Millionen US-Dollars (USD) möglich machte.
- DEFRADA (Deteksi Potensi Fraud Dengan Analista Data Klaim): Entwicklung eines Instruments zur Betrugserkennung bei Krankenhausdienstleistungen wurde entwickelt, um den Inspekteuren bei der Ermittlung von Anträgen zu helfen, die einer genaueren Prüfung bedürfen. Datenanalysen und Datenuntersuchungen werden in Zukunft als Hauptmotor der Entscheidungsfindung in der Betrugsbekämpfung dienen.
- Die Entwicklung eines Online-Apothekensystems für die effizientere Verrechnung und Abgabe von Arzneimitteln ermöglichte eine verbesserte Rechnungsstellung und die Entwicklung eines interoperablen Systems für die Zusammenarbeit mit anderen Apotheken. Das System hatte bedeutende Auswirkungen auf die Senkung der Betrugsquote, da die Effizienz und die Zahl der fristgerecht abgewickelten Leistungsanträge erhöht wurden.
- Jede Organisation sollte eine wirksame und umfassende Betrugsbekämpfungsstrategie entwickeln, die auf zuverlässigen Informationen über Art und Umfang des Betrugs beruht. Die gute Praxis über die Verbesserte Zuverlässigkeit der Risikoprofile für die Formulierung der strategischen Risiken und der Haushaltsplanung zeigt, dass Verfahren zur Verbesserung der Zuverlässigkeit, Qualität und Effizienz der Risikoprofile entwickelt werden müssen, damit ein wirksames Risikomanagement sichergestellt werden kann.
In der Republik Korea entwickelte der Landesdienst für Krankenversicherung (National Health Insurance Service – NHIS) ein Betrugserkennungssystem, das sich auf Big Data aus dem Gesundheitssektor stützt, darunter soziodemografische, erkrankungs- und behandlungsverlaufsbezogene Daten. Das System wurde eingeführt, um Betrug seitens von Gesundheitseinrichtungen, die nicht nach den geltenden Bestimmungen gegründet wurden, zu erkennen und vorherzusagen, beispielsweise wenn die Gründung durch nicht qualifizierte Personen erfolgte, die ihre Profite mit betrügerischen Versicherungsanträgen zu maximieren suchten. In der Republik Korea, wo für den Großteil der Gesundheitsversorgung privatwirtschaftliche Anbieter zuständig sind, ist die Prävention der Gründung unrechtmäßiger profitorientierter Gesundheitseinrichtungen eine der wichtigsten Säulen des Systems zur Betrugsbekämpfung, zusammen mit der Prävention betrügerischer Versicherungsanträge. Der Landesdienst für Krankenversicherung begann 2020 damit, anhand eines hybriden Systems Verfahren der Künstlichen Intelligenz anzuwenden und so Fälle mit hoher Betrugswahrscheinlichkeit zu erkennen, indem regel- und KI-basierte prädiktive Modelle miteinander verknüpft wurden.
Die Anstalt für soziale Sicherheit Vietnams (Viet Nam Social Security – VSS), zeigte in ihrer guten Praxis IT-Anwendungen zu Krankenversicherungsmanagement, medizinischer Kontrolle und Zahlungen, wie sie ein Krankenversicherungs-Inspektions- und Informationssystem aufbaute, um sich mit landesweit über 12 000 Krankenhäusern zu vernetzen. Dieses System gilt als wichtiges Element bei der Kontrolle und Überwachung der medizinischen Leistungen der beteiligten Krankenhäuser und Krankenversicherten und trägt so zu einer Verbesserung des nationalen Sozialversicherungssystems bei.
Schlussfolgerungen
Gesundheitssysteme sind für die Sicherstellung ihrer finanziellen Tragfähigkeit darauf angewiesen, dass sie ihre knappen Ressourcen effizient und wirksam einsetzen. Da die Gesundheitsversorgung auf einem Zusammenspiel finanzieller, technologischer und personeller Ressourcen beruht, müssen sich alle beteiligten Akteure auch korrekt verhalten. Heute ist es für Institutionen der sozialen Sicherheit von entscheidender Bedeutung, dass sie Betrugsaktivitäten angemessen bekämpfen, da Betrug das finanzielle Gleichgewicht des Gesundheitswesens ernsthaft gefährden und so auch zu einem Qualitätsverlust in der Versorgung führen kann.
Zu den zentralen Elementen einer Betrugsbekämpfungsstrategie gehören die Risikobewertung, die Erfassung von Betrugsfällen, der Aufbau einer Betrugsbekämpfungskultur innerhalb der Institution, die schnelle Aufdeckung von Betrugsfällen, die konsequente Durchsetzung (zivil- und strafrechtlicher) Sanktionen sowie die Durchführung von Maßnahmen zur Wiedererlangung der finanziellen Mittel.
Investitionen in neue Technologien tragen entscheidend dazu bei, dass maßgeschneiderte Maßnahmen zur effizienten Betrugsbekämpfung im Gesundheitswesen entwickelt, überwacht und ausgewertet werden können. Biometrische Verfahren und Blockchain sind wichtige Entwicklungen, die präventive Maßnahmen für eine verbesserte Personenidentifikation und für die Umsetzung robuster Systeme erlauben, in denen sich Informationen nur schwer fälschen lassen. Zudem machen es Data Mining, prädiktive Analyseverfahren, maschinelles Lernen und andere KI-Verfahren möglich, profilbasierte Erkennungsprozesse durchzuführen, um anhand der erhobenen Daten Verdachtsfälle zu bestimmen. Diese Technologien können auch zur Umsetzung von Präventionsmaßnahmen eingesetzt werden, insbesondere durch Risikomanagementmethoden. Entsprechende Möglichkeiten sollten in Zukunft intensiver erforscht werden.
Es ist jedoch wichtig, daran zu erinnern, dass profilbasierte und prädiktive Verfahren nicht sehr genau sind und Experten später anhand konkreter Belege prüfen müssen, ob wirklich ein Betrugsfall vorliegt oder nicht.
Die Bereitstellung ausreichender Kapazitäten ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Institutionen der sozialen Sicherheit und des Gesundheitssektors die neuen Technologien auch tatsächlich anwenden können.
Dazu gehört erstens, dass in das Testen und in die Auswahl von Softwareinstrumenten investiert wird und dass die neuen Technologien schrittweise in die Betrugsbekämpfungsverfahren eingebunden werden, sowie dass man in den Aufbau personeller Kapazitäten investiert. Zweitens sollten Institutionen, die datenbasierte neue Technologien wie Analyseverfahren und Künstliche Intelligenz anwenden, auch Prozesse zur Datenverwaltung und zur Datengovernance einführen, um eine ausreichende Datenqualität zu gewährleisten. Und drittens sollten die Institutionen für den Einsatz der neuen Technologien sogenannte „Sandkastenumgebungen“ einrichten, in denen neue Anwendungen ausprobiert und sicher getestet werden können.
Die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger und der Institutionen der sozialen Sicherheit mit Strategien und Lösungen für die Betrugsprävention und die Betrugsbekämpfung ist entscheidend, damit das Recht jeder Patientin und jedes Patienten auf Gesundheit garantiert werden kann. Die Anwendung neuer Technologien kann hier wichtige neue Chancen bieten und eine Quelle des Fortschritts sein.
Referenzen
EHFCN. 2017. Healthcare fraud, corruption and waste in Europe. Brüssel, Europäisches Netzwerk gegen Betrug und Korruption im Gesundheitswesen.
IVSS. 2019a. Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2019b. Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2019c. Einsatz neuer Technologien in der sozialen Sicherheit. Fachausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2020. Künstliche Intelligenz in der sozialen Sicherheit: Hintergründe und Erfahrungen (Analyse). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2021a. Verbesserter Schutz und erhöhte Cyberresilienz von Verwaltungen der sozialen Sicherheit: Einführung in die Cybersicherheit. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2021b. Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug in der sozialen Sicherheit: Gute Praxis aus Amerika (Analyse). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2021c. Administrative und digitale Lösungen zur Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug beim Beitragseinzug in Afrika (Analyse). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
IVSS. 2022: Detecting fraud in health care through emerging technologies (Webinar, 19. Januar). 2022. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.
Mackey, T. K. et al. 2020. „Combating Health Care Fraud and Abuse: Conceptualisation and Prototyping Study of a Blockchain Antifraud Framework“, in Journal of Medical Internet Research, Bd. 22, Nr. 9.
OECD. 2017. Tackling wasteful spending on health. Paris, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
OECD. 2020. Trustworthy AI in health. Paris, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.