Datengetriebene Innovation in der sozialen Sicherheit: Gute Praxis aus der Region Asien und Pazifik

Datengetriebene Innovation in der sozialen Sicherheit: Gute Praxis aus der Region Asien und Pazifik

Die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ermöglicht die Umsetzung umfassender und wirksamer Systeme der sozialen Sicherheit in der ganzen Welt. Dieser Artikel befasst sich mit datengetriebenen Innovationen in der Region Asien und Pazifik und stützt sich dabei auf die gute Praxis der Mitgliedsorganisationen der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) in der Region.

Innovationen im Bereich der IKT erweitern rasch den Anwendungsbereich und die Auswirkungen der Politik der sozialen Sicherheit und ermöglichen gleichzeitig eine vereinfachte und qualitativ hochwertige Dienstleistungserbringung. In diesem Kontext ist ein wichtiger Trend die wachsende Bedeutung von Daten in der Verwaltung der sozialen Sicherheit (IVSS 2019a und 2016; Ruggia‑Frick, 2021). Die Sozialversicherungsträger suchen zunehmend nach neuen Wegen, um die von ihnen verarbeiteten großen Datenmengen für die Rationalisierung von Prozessen, die Bereitstellung maßgeschneiderter Dienstleistungen, die Verringerung von Betrug und Fehlern und die Formulierung evidenzbasierter politischer Entscheidungen zu nutzen.

Um die Mitgliedsinstitutionen bei der effektiven und sicheren Implementierung von Datenanalysen zu unterstützen, hat die IVSS spezifische Leitlinien als Teil der allgemeinen IVSS-Leitlinien über Informations- und Kommunikationstechnologie (IVSS 2019b) entwickelt. Die IKT‑Leitlinien (54–59) zur Datenanalyse sind auf die folgenden Hauptkategorien zugeschnitten:

  • Descriptive analytics, die die Analyse historischer Daten als Grundlage für künftige Entscheidungen umfassen;
  • Diagnostic analytics, die sich mit den Prozessen und Ursachen eines Ereignisses befassen;
  • Predictive analytics, die mit Hilfe von Prognosetechniken zukünftige Ergebnisse vorherzusagen versuchen;
  • Prescriptive analytics, die bei der Entscheidungsfindung durch das Analysieren verschiedener Alternativen helfen;
  • Analyseverfahren für Big Data, die die oben genannten Techniken auf sehr große Datenmengen anwenden; und
  • Maschinelles Lernen anhand von Big Data, das über die traditionellen Analysetechniken hinausgeht und die Feinheiten der Anwendung von Techniken des maschinellen Lernens auf Big Data untersucht.

Die Art der Analysen, die Sozialversicherungsträger anwenden können, hängt von ihrer Datenreife ab. Während in den letzten zehn Jahren zahlreiche Reifemodelle für Analysen entstanden sind, könnte ein neues – auf der IVSS-Konferenz über IKT 2018 vorgestelltes – Reifemodell für die datenbasierte Regierungsführung (Data Driven Government) den Institutionen der sozialen Sicherheit helfen, ihre aktuellen Fähigkeiten zu ermitteln und ihren künftigen Zeitplan zu definieren.

Tabelle 1. Reifemodell für eine datengetriebene Transformation
  Ad Hoc Vorbereitet Gezeigt Nachgewiesen Intelligent
Strategie Strategie der Agentur berücksichtigt keine datengetriebene Politik und Praxis Strategie für digitale Transformation mit einer Vision datengetriebener Politik und Praxis Strategie für datengetriebene Politik und Praxis dokumentiert und gebilligt Strategie der Agentur basiert auf datengestützten Erkenntnissen Regierungsstrategie basiert auf datengestützten Erkenntnissen
Daten Daten stehen nicht bereit oder sind nicht geeignet, um eine datengetriebene Transformation zu unterstützen Datenquellen wurden ermittelt und die Daten werden vorbereitet Qualitätsdaten sind in einigen Bereichen verfügbar Daten werden organisationsweit als strategisches Kapital verwaltet Daten werden stetig durch datengetriebene Prozesse ergänzt
Technologie Silo-Systeme behindern die Längsschnittanalyse Längsschnittanalyse wird durch die traditionelle Analysen unterstützt Punktuelle Lösungen unterstützen Predictive Analytics in einigen Bereichen Organisationsplattform unterstützt bereichsübergreifende Predictive Analytics Organisationsplattform umfasst autonome Verfeinerung von Prognosemodellen
Kultur Kultureller Widerstand gegen den Wandel Unterstützung der Exekutive für datengestützte Politik und Praxis Einige Teams haben datengetriebene Verfahren eingeführt Organisationsweite Einführung von datengetriebenen Verfahren Datengetriebene Kultur erstreckt sich auch auf politische Entscheidungsträger
Einwirkung Entscheidungen beruhen auf gut gemeinten Bauchgefühlen Entscheidungen beruhen auf unzuverlässigen und unvollständigen Daten Einige Beispiele für evidenzbasierte Entscheidungsfindung Geschäftspraktiken werden auf Basis datengestützter Erkenntnisse verändert Regierungspolitik wird durch datengestützte Erkenntnisse beeinflusst
Auswirkung Regierungspolitik und Geschäftspraktiken sind unverändert Überprüfung von Politik und Praxis auf der Grundlage datengestützter Erkenntnisse Einige Beispiele für dynamische Reaktionen auf große Ereignisse und neue Trends Dynamische Antworten beruhen häufig auf datengestützten Erkenntnissen Politik wird kontinuierlich überprüft und verbessert, um die Ergebnisse zu optimieren
Quelle: van Leent (2018)

Erfahrungen mit der Anwendung der Datenanalyse in Asien und dem Pazifik

Die Institutionen der sozialen Sicherheit in Asien und im Pazifik nutzen Daten in einer Reihe von Bereichen wie der Verbesserung der Leistungserbringung durch Automatisierung, der Gesundheitsversorgung, der Aufdeckung und Verhinderung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug sowie der proaktiven Gestaltung von Sozialpolitik und -programmen, um nur einige zu nennen. Beispiele guter Praxis aus der Region wurden für den IVSS-Preise für gute Praxis eingereicht und während des Virtuellen Forums für soziale Sicherheit in Asien und dem Pazifik sowie in Webinaren und bei anderen IVSS-Aktivitäten vorgestellt. Dieser Artikel befasst sich mit den in neuen Wirkungsbereichen gesammelten Erfahrungen der Mitgliedsinstitutionen.

Verbesserung der Dienstleistungserbringung durch datengetriebene Automatisierung

Dienstleistungen Australien

Dienstleistungen Australien (Services Australia), die für die Erbringung von Sozialleistungen und bedarfsabhängigen Sozialversicherungszahlungen in Australien zuständige Behörde, hat die Datenanalyse zur zuverlässigen Bewertung von Ansprüchen durch den Einsatz einer durchgehenden Datenverarbeitung (DDV) genutzt. Die DDV ist das Konzept, dass eine Anfrage ohne menschliches Zutun bearbeitet werden kann. Als COVID-19 den Lebensunterhalt destabilisierte, erweiterte die Agentur ihre bestehenden automatisierten Fähigkeiten zur Entscheidungsfindung, um die Zahlungen an die noch nie dagewesene Anzahl von Antragstellern im Rahmen des JobSeeker-Programms zu beschleunigen (Dienstleistungen Australien, 2020). Ziel war es, bedürftigen Menschen so schnell wie möglich Zahlungen zukommen zu lassen und der Regierung zu versichern, dass die automatisierten Zahlungen zwar sozialverträglich und verwaltungstechnisch effizient seien, aber im Einklang mit vier „goldenen Regeln“ erfolgten: die richtige Person, im richtigen Programm, mit dem richtigen Satz und zum richtigen Zeitpunkt beginnend.

Zwar hatte Services Australia die DDV bereits in der Vergangenheit für andere Zahlungskategorien eingeführt, doch der entscheidende Unterschied lag im Umfang und in der Geschwindigkeit, mit der sie im Fall der JobSeeker-Anträge umgesetzt werden musste. Daher war es wichtig, die verwaltungstechnische Effizienz der Automatisierung des Antragsgenehmigungsverfahrens zu messen und nachzuweisen und gleichzeitig die Integrität der Zahlungsergebnisse zu gewährleisten. Während die Agentur einen soliden geschäftlichen Rahmen für die Entwicklung von Automatisierungsprodukten geschaffen hat, war das datengestützte Prüfverfahren, bei dem eine statistisch gültige Stichprobe von automatisierten Zahlungsentscheidungen überprüft wurde, der Schlüssel zum Nachweis der Zuverlässigkeit und Genauigkeit ohne menschliches Eingreifen. Die Agentur setzte sich einen Benchmark für die Zahlungsgenauigkeit von mehr als 95 Prozent und nutzte eine Reihe statistischer Methoden, automatisierter Register und datengestützter Analysen, um ihre Leistungen an diesem Ziel zu messen. Die Agentur erreichte eine Zielgenauigkeit von 99 Prozent und übertraf damit ihre Benchmark deutlich.

Landesvorsorgefonds von Fidschi

er Landesvorsorgefonds von Fidschi (Fiji National Provident Fund – FNPF) nutzte Daten, um die Effizienz einer Reihe von Prozessen nach der COVID-19-Pandemie zu verbessern. Der FNPF hat vier Phasen der Einkommenssicherung eingeführt, um seine Mitglieder bei der Bewältigung der Auswirkungen der Krise zu unterstützen. Der FNPF hat zum ersten Mal eine robotergestützte Prozessautomatisierung (Robotic Process Automation – RPA) eingeführt, um den Prozess der Registrierung, Bearbeitung, Genehmigung und Zahlung zu automatisieren. Er war in der Lage, mithilfe von Dateneinblicken die weiterhin betroffenen Mitglieder zu identifizieren und ermöglichte die automatische Registrierung von Mitgliedern mithilfe von RPA (Landesvorsorgefonds von Fidschi, 2020). Der FNPF war in der Lage, anhand von Daten sein maximales Risiko abzuschätzen und präventiv Liquiditätsstrategien einzusetzen, um die Cashflow-Position zu steuern. Durch den Einsatz von Datenanalysen und -einblicken überprüfte der FNPF proaktiv Ablehnungen und hob Entscheidungen gegebenenfalls auf, ohne dass die Mitglieder formelle Beschwerden einreichen mussten.

Kontrolle von Betrug und Fehlern in der Gesundheitsversorgung

Die Behörde für soziale Sicherheit im Gesundheitssektor in Indonesien

Angesichts von fast 80 Millionen Krankenhausaufenthalten im Jahr 2020 benötigte die indonesische Behörde für soziale Sicherheit im Gesundheitssektor (Social Security Administering Body for the Health Sector – BPJS Kesehatan) ein glaubwürdiges und robustes Instrument zur Aufdeckung von Betrug. Die bestehenden rückwirkenden Methoden der Betrugsaufdeckung waren weniger effizient, da die nachträgliche Wiedereinziehung von zu viel gezahlten Beträgen erhebliche Anstrengungen und Ressourcen erforderte. Darüber hinaus verlangten die manuellen Analyseprotokolle beträchtliche Datenverarbeitungskapazitäten, was sie umständlich und teuer machte.

Die BPJS Kesehatan ist diesen Herausforderungen mit Hilfe eines maschinellen Lernsystems zur Betrugserkennung begegnet. Der Hauptvorteil des Systems besteht darin, dass es simultan arbeitet, d. h., die Ansprüche der Krankenhäuser werden vor der Auszahlung geprüft. Dies wiederum hat mehrere Vorteile. Erstens ist die Betrugserkennung schneller und effizienter, da das System verdächtige Muster schnell erkennen kann. Zweitens wird Mitarbeiterzeit für strategischere Aufgaben rund um die Betrugsbekämpfung frei, statt für manuelle Überprüfungen. Schließlich werden die Prognosemodelle mit wachsender Anzahl historischer Daten immer ausgefeilter und genauer, im Gegensatz zu manuellen Methoden, die Daten in diesem Umfang einfach nicht verarbeiten können (Behörde für soziale Sicherheit im Gesundheitssektor 2019 und 2022).

Das maschinelle Lernmodell wurde auf Basis des historischen Transaktionsverhaltens unter Verwendung überwachter Lerntechniken entwickelt. Der Algorithmus wird in regelmäßigen Abständen mit neuen Daten trainiert. Das Modell des maschinellen Lernens wurde schrittweise implementiert, beginnend mit 10 Krankenhäusern im Jahr 2019, erweitert auf 265 Krankenhäuser im Jahr 2020 und skaliert auf 2 511 Krankenhäuser im Jahr 2021. Im Jahr 2021 überprüfte die künstliche Intelligenz (KI) 5,8 Millionen Transaktionsansprüche von Krankenhäusern und markierte 390 000 Vorgänge für eine zusätzliche Überprüfung. Dies wiederum half den über 700 Prüfbeamten der BPJS Kesehatan, effektiver zu arbeiten.

Der Landesdienst für Krankenversicherung der Republik Korea

Der Landesdienst für Krankenversicherung (National Health Insurance Service – NHIS) der Republik Korea hat erhebliche Fortschritte bei der Nutzung von Big Data zur Aufdeckung von Fehlern und Betrug bei Krankenversicherungsansprüchen gemacht. Der NHIS speichert umfangreiche Daten zu einer Reihe von sozioökonomischen Variablen, zum Gesundheitsverhalten, zur Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung und zur Langzeitpflege. Der NHIS wendet intelligente Prüfalgorithmen auf diese Daten an, um Gesundheitseinrichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit betrügerische Ansprüche vorherzusagen und so die Ermittler präventiv zu unterstützen (Landesdienst für Krankenversicherung, 2022).

Das Betrugserkennungsmodell ist ein Hybridmodell, das traditionelle Analysen und künstliche Intelligenz kombiniert. In einem ersten Schritt werden alle eingegangenen Anträge mit Hilfe herkömmlicher regelbasierter Algorithmen daraufhin geprüft, ob die Ansprüche korrekt sind oder nicht. Anschließend wird künstliche Intelligenz eingesetzt, um Korrelationen zwischen ungewöhnlichen Ansprüchen zu erkennen, was dazu beiträgt, die Wahrscheinlichkeit einer Inspektion zu bestimmen. Das Modell der künstlichen Intelligenz, das 2021 erstmals als Prototyp vorgestellt wurde, entwickelte sich aus einer früheren Generation traditioneller regelbasierter Modelle. Es wird anhand einer Reihe von Techniken definiert, darunter Deep Learning, Random Forest, Gradient Boosting, logistische Regression und Support Vector Machine. Das Modell wird derzeit weiter verfeinert. Zwischen 2014 und 2021 hat das Betrugserkennungssystem 567 820 Betrugsfälle aufgedeckt, was einem Schadenswert von 174 Millionen US-Dollars (USD) entspricht.

Erbringung maßgeschneiderter Dienstleistungen

Die Koreanische Anstalt für Arbeitsunfallversicherung und Wohlfahrt

Die Koreanische Anstalt für Arbeitsunfallversicherung und Wohlfahrt (Korea Workers’ Compensation and Welfare Service – COMWEL) führt seit 2011 maßgeschneiderte Rehabilitationspläne für verletzte Arbeitnehmer durch und unterstützt somit die erfolgreiche Rehabilitation von Arbeitnehmern. Zwar wurden die Dienste in den letzten Jahren ausgeweitet, und es wurden Anstrengungen unternommen, um mit Hilfe interner Rehabilitationsfachleute individuelle Pläne zu erstellen, doch der Prozess stützte sich auf begrenzte Informationen und die Erfahrung der zuständigen Manager, was zu einer schwankenden Dienstleistungsqualität und Pünktlichkeit führte.

Um die Unterstützung für verletzte Arbeitnehmer zu verbessern, hat COMWEL ein „Intelligentes Rehabilitationsempfehlungssystem“ (Intelligent Rehabilitation Recommendation System – IRRS) entwickelt (Koreanische Anstalt für Arbeitsunfallversicherung und Wohlfahrt, 2020). Das IRRS ist ein 2020 entwickeltes KI-gestütztes System zur Auswahl verletzter Arbeitnehmer, die das Potenzial haben, wieder aktiv zu werden, und zur Entwicklung wissenschaftlich fundierter Rehabilitationsdienstleistungen für diese Arbeitnehmer. Das IRRS berechnet einen Verwundbarkeitsindex auf Basis der seit 2011 akkumulierten Verwaltungsdaten von 98 Millionen Arbeitnehmern, die Angaben zur Arbeitnehmerentschädigung, zur Arbeitslosenversicherung und zum Rehabilitationsfallmanagement enthalten, und verwendet eine regelbasierte Filterung und fallbasierte Schlussfolgerungsmethodik. Außerdem schlägt es ein Rehabilitationsplan basierend auf dem KI-Modell vor. Die für die Rehabilitation und die Rückkehr an den Arbeitsplatz ausgewählten Arbeitnehmer werden von den Rehabilitationsfachleuten von COMWEL beraten, bevor die durch KI erstellten Pläne endgültig festgelegt werden. Das System wurde erstmals Anfang 2020 eingeführt. Obwohl es im Jahr 2020 aufgrund von COVID-19 schwierig war, Rehabilitationsdienstleistungen zu erbringen, wurden vom IRRS 2 637 verletzten Arbeitnehmern 13 876 Leistungen empfohlen, von denen 9 172 (66 Prozent) tatsächlich als maßgeschneiderte Dienstleistungen konzipiert und erbracht wurden. Das IRRS hat COMWEL dabei geholfen, auf nationaler Ebene eine einheitliche Dienstleistungsqualität zu erreichen und zugleich rechtzeitige und angemessene Interventionen zu gewährleisten, um letztlich die Wiedereingliederungsquote zu verbessern.

Ergebnisse

Tabelle 2 fasst die Ergebnisse zusammen, die diese Institutionen durch Datenanalysen erzielen konnten.

Tabelle 2. Zusammenfassung der Ergebnisse

Institution Erzielte Ergebnisse
Services Australia, Australien
  • Erfolgreiche Automatisierung von mehr als 31 000 Anträgen auf einkommensabhängige Sozialversicherungsleistungen, die fast in Echtzeit ab dem Zeitpunkt der Einreichung geprüft, bewertet und ausgezahlt wurden, ohne dass ein Mitarbeiter eingreifen musste.
  • Einsparung von Mitarbeiterzeit, die wiederum für die Betreuung benachteiligter Kunden und komplexerer Fälle eingesetzt werden konnte.
FNPF, Fidschi
  • Einsparungen von 1,8 Millionen Fidschi-Dollar (FJD) wurden durch Automatisierung und Effizienzsteigerungen erzielt.
  • Bearbeitung und Auszahlung von 80 Prozent der Anträge innerhalb der zugesagten Bearbeitungszeit von fünf Arbeitstagen.
  • Ermöglichte es den Mitarbeitern, sich auf die Bearbeitung von Ausnahmefällen und die Klärung von Rückfragen zu konzentrieren.
BPJS-K, Indonesien
  • Aufdeckung von 29 990 potenziell betrügerischen Ansprüchen mit einer Gesamtersparnis von 41,9 Millionen USD.
NHIS, Republik Korea
  • Zwischen 2014 und 2021 wurden durch das Betrugserkennungssystem 567 820 Betrugsfälle aufgedeckt, was einer kumulierten Einsparung von 174,4 Millionen USD entspricht.
COMWEL, Republik Korea
  • Verkürzung der Zeit zwischen der Entscheidung über die Erstattung bis zur ersten Rehabilitationsberatung um 4,8 Tage im Jahr 2020 – im Vergleich zu 2019 –, was eine zeitnahe Beratung und Rehabilitationsleistungen ermöglicht.

Entscheidende Erfolgsfaktoren

Die Erfahrungen der Mitgliedsorganisationen zeigen eine Reihe von Schlüsselfaktoren, die für eine erfolgreiche Nutzung der Datenanalyse für die Verwaltung der sozialen Sicherheit unerlässlich sind.

Datengestützte Innovationen können nur dann einen Nutzen bringen, wenn die zugrunde liegenden Prozesse effizient gestaltet sind. Wenn zum Beispiel ein Prozess fehlerhaft ist, würde die Automatisierung durch Datenanalyse nur die bestehenden Fehler wiederholen, wenn auch in anderer Form. Daher ist die Bewertung und Optimierung von Prozessen ein erster Schritt, bevor eine datengetriebene Automatisierung in Betracht gezogen wird, wie Services Australia im Fall von DDV gezeigt hat.

Datenqualität und Datengovernance sind von zentraler Bedeutung für die effektive Nutzung des Datenanalysepotenzials. Die Qualität und Governance von Daten sind der Schlüssel zum Erfolg datengetriebener Funktionen. Die Leitlinien der IVSS über IKT, insbesondere die Leitlinien 22–67 sowie 63–65, bieten Orientierungshilfen zu Fragen der Stammdatenverwaltung und des Datenqualitätsmanagements. Die Datennutzung durch die BPJS Kesehatan in Indonesien ist beispielsweise in einem soliden Datenmanagementrahmen verankert, der den Empfehlungen des DAMA-DMBOK2 folgt (Dama International, 2017). Ein konsequentes Qualitätsmanagement über den gesamten Datenlebenszyklus hinweg gehört zu den Kernprinzipien von BPJS Kesehatan. Die Organisation hat sich auch um Datenstandardisierung, elektronische Datenerfassung und Validierungsprüfungen bemüht, um die Datenqualität zu verbessern.

Die Einbindung der Akteure auf allen Ebenen und in allen Geschäftsbereichen von Beginn an ist für das Veränderungsmanagement und eine erfolgreiche Fehlerbehebung in Echtzeit unerlässlich. So stellte beispielsweise Services Australia fest, dass die frühzeitige Einbeziehung von politischen Entscheidungsträgern, Rechtsexperten, Geschäftsinhabern und Qualitätssicherungs-Teams entscheidend war, um eine spätere Überarbeitung der Lösungen zu vermeiden.

Wie jede andere IKT-Investition, so erfordert auch die Nutzung von Daten, dass die Sozialversicherungsträger talentierte Mitarbeiter anwerben, ausbilden, aufbauen und halten müssen. Da sich die Analysetechnologien rasch weiterentwickeln, kann es schwierig sein, die richtigen Datenexperten zu finden und zu halten. Zudem erfordert die Datenanalyse die Arbeit in multidisziplinären Teams. Wie der NHIS in der Republik Korea feststellte, haben Fachleute vor Ort und IKT-Fachleute oft Schwierigkeiten, sich gegenseitig zu verstehen. Die Bedeutung der Verankerung datengestützter Innovation in multidisziplinären Teams wird auch durch die weltweiten Erkenntnisse zu diesem Thema bekräftigt (IVSS, 2020; Ruggia-Frick, 2021). Um aus der Datenanalyse Kapital zu schlagen, ist daher eine kontinuierliche interne Kapazitätsbildung unerlässlich, indem Fach-, Methoden- und Technologiekenntnisse kombiniert werden.

Kontinuierliches Lernen und Anpassen sind besonders bei Analyseverfahren für Big Data wichtig. Da die Datenmengen wachsen, müssen Modelle für maschinelles Lernen kontinuierlich trainiert und bewertet werden, um eine stabile Leistung zu gewährleisten. Big-Data-Analysen sind keine einmalige Maßnahme, sondern erfordern eine kontinuierliche Bereitstellung von Ressourcen, wie die BPJS Kesehatan und der NHIS in Indonesien bzw. der Republik Korea festgestellt haben. Dazu gehört auch die Schaffung eines soliden Leistungsrahmens, um die Modellleistung anhand einer Reihe konsistenter Metriken beurteilen zu können. Die BPJS Kesehatan verfügt beispielsweise über vier Metriken zur regelmäßigen Bewertung ihres maschinellen Lernmodells anhand vorgegebener Benchmarks: (i) die Genauigkeit der Vorhersage; (ii) die Genauigkeit der korrekten Vorhersagen positiver Beobachtungen (vermuteter potenzieller Betrug) im Verhältnis zu den gesamten vorhergesagten positiven Beobachtungen; (iii) Recall, d. h. das Verhältnis von richtig vorhergesagten positiven Beobachtungen zu allen Beobachtungen in einer realen Kategorie Recall; und (iv) der F1-Score, der das gewichtete Mittel aus Genauigkeit und Recall ist. Auch bei der traditionellen Datenanalyse kann eine regelmäßige Bewertung sinnvoll sein. So prüft beispielsweise Services Australia die Leistung der DDV sorgfältig mit Hilfe von Metriken und manuellen Kontrollen, um finanzielle Verluste infolge fehlerhafter Berechnungen von Zahlungen zu vermeiden.

Bei der Anwendung automatisierter Entscheidungsfindung mittels Big-Data-Technologien zur Bewertung der Anspruchsberechtigung oder zur Betrugsaufdeckung müssen die Institutionen der sozialen Sicherheit deren rechtliche und ethische Auswirkungen sorgfältig abwägen. Generell müssen die Grenzen der Automatisierung für so wichtige Dienstleistungen und die Erklärbarkeit der verwendeten Algorithmen richtig eingeschätzt werden (IVSS, 2020; Ruggia-Frick, 2021). Wie der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen (UN) für extreme Armut feststellte, wurden viele automatisierte Entscheidungsfindungssysteme ohne eine solide Rechtsgrundlage und ohne angemessene Rechtsmittel für die Antragsteller eingeführt, um gegen digital gestützte Entscheidungen Einspruch erheben zu können, was wiederum ihre Rechte in Bezug auf Transparenz und Fairness beeinträchtigt (UN Special Rapporteur for Extreme Poverty, 2019).

Schließlich unterstreichen alle in diesem Artikel vorgestellten Praktiken die Bedeutung angemessener Sicherheitsvorkehrungen für die Datensicherheit und den Datenschutz. Während die enormen Mengen an persönlichen und transaktionsbezogenen Informationen den Sozialversicherungsträgern helfen können, Werte zu erschließen, können Datenschutzverletzungen den Menschen erheblichen Schaden zufügen und das Vertrauen in die Sozialversicherungsträger untergraben (Wagner and Ferro, 2020). Die Leitlinien 36–46 der IVSS‑Leitlinien über IKT bieten detaillierte Anleitungen zur Schaffung eines soliden Rahmens für den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre, der durch robuste Technologien unterstützt wird.

Schlussfolgerungen

Durch die Integration von Datenanalysen in Geschäftsprozesse können Institutionen der sozialen Sicherheit greifbare Resultate und Geschäftsergebnisse erzielen, wie z.B. verbesserte operative Leistung, verbesserter Kundenservice, Reduzierung von Betrug und Fehlern sowie evidenzbasierte Entscheidungsfindung. Die Datenanalyse kann Institutionen in die Lage versetzen, neue Chancen zu ergreifen, indem sie bestehende Produkte, Prozesse und organisatorische Methoden erheblich verbessern oder neue entwickeln. Folglich werden Daten ein entscheidender Faktor bei der ständigen Suche der Sozialversicherungsträger nach innovativen Strategien sein, um in den kommenden Jahrzehnten kosteneffiziente und qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu erbringen.

Während die Institutionen in den vergangenen Jahrzehnten traditionelle Analyseverfahren verwendet haben, setzen die Sozialversicherungsträger nun zunehmend neue Technologien wie Big Data und künstliche Intelligenz ein. Obwohl die Anwendung dieser Technologien noch in den Kinderschuhen steckt, zeigen die Erfahrungen der Mitgliedsinstitutionen, wie diese bereits einschlägige Ergebnisse in Schlüsselbereichen der sozialen Sicherheit ermöglichen, z.B. bei der Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug sowie bei der Entwicklung proaktiver Ansätze und automatisierter Lösungen zur Verbesserung der sozialen Dienstleistungen. Da sich der Reifegrad der Datenanalyse in den Institutionen mit dem technologischen Fortschritt zwangsläufig weiterentwickelt, wird die Nutzung dieser neuen Technologien weiter zunehmen. Im Gegenzug müssen sich die Institutionen auf diese Entwicklungen vorbereiten, indem sie geeignete Kapazitäten für Datengovernance und -management schaffen, um die oben genannten Risiken zu bewältigen und Transparenz, Fairness und Verantwortlichkeit bei der Anwendung fortschrittlicher datengetriebener Ansätze zu gewährleisten.

Referenzen

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Behörde für soziale Sicherheit im Gesundheitssektor. 2022. Artificial Intelligence (AI) to control and monitor fraud in Indonesian Social Health Insurance Scheme. Detecting fraud in health care through emerging technologies (Webinar, 19. Januar). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Dama International. 2017. DAMA-DMBOK: Data Management Body of Knowledge (2nd Edition). Denville, NJ, Technics Publications.

Dienstleistungen Australien. 2020. Gemeinsam das Kundenerlebnis und die Integrität der Leistungszahlungen verbessern - Automatisierung der Leistungsanträge/Straight Through Processing (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2016. Verwaltung von Datenbanken über die soziale Sicherheit. Fachausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

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IVSS. 2019b. Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie (Erweiterte Ausgabe). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2020. Künstliche Intelligenz in der sozialen Sicherheit: Hintergründe und Erfahrungen (Analyse). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Landesdienst für Krankenversicherung. 2022. Fraudulent insurance claim and illegal health care organization establishment detection ICT system. Detecting fraud in health care through emerging technologies (Webinar, 19. Januar). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Landesvorsorgefonds von Fidschi. 2020. Kooperation, Innovation und Dateneinblick in schwierigen Zeiten - Unterstützung beim Einkommensschutz während COVID-19: die Geschichte des Landesvorsorgefonds von Fidschi (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Koreanische Anstalt für Arbeitsunfallversicherung und Wohlfahrt. 2020. Dienstleistungen gestützt auf Big Data zur Verbesserung maßgeschneiderter Rehabilitation: Ein intelligentes Rehabilitationsempfehlungssystem (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Ruggia-Frick, R. 2021. „Applying emerging data-driven technologies in social security“ in Ubezpieczenia Społeczne. Teoria i praktyka, Bd. 151, Nr. 4.

Sonderberichterstatter über extreme Armut und Menschenrechte. 2019. Digital technology, social protection and human rights: Report. New York, NY, Vereinte Nationen.

Van Leent, R. 2020. Maturity model for data-driven government. [S.l.], SAP Institute for Digital Government.

Wagner, B.; Ferro, C. 2018. Data protection for social protection: Key issues for low- and middle-income countries. Bonn, Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GIZ.