Die aktuelle COVID-19-Krise hat weltweit zu Disruptionen in Dienstleistungen der sozialen Sicherheit geführt.
Institutionen mussten ihre Ansätze zur Dienstleistungserbringung rasch anpassen, um die Kontinuität der Dienste der sozialen Sicherheit zu gewährleisten, und zugleich persönliche Begegnungen auf ein Minimum beschränken. Außerdem mussten die Institutionen im Krisenkontext auf eine zunehmende Nachfrage nach kurzfristigen Leistungen eingehen und eine Reihe neuer Maßnahmen der sozialen Sicherheit einführen.
Die IVSS-Webinarserie über die „Leistungserbringung in der sozialen Sicherheit in Zeiten von COVID-19“, an der IVSS-Mitgliedsinstitutionen aus Argentinien, Frankreich, Irland, Marokko, Norwegen, Österreich und Spanien mitgewirkt haben, zeigt auf, wie dynamische und rasche operative Antworten von Institutionen der sozialen Sicherheit die Kontinuität der Kundendienstleistungen und die Erbringung neuer Leistungen gewährleisten. Die Maßnahmen lassen sich in folgende Hauptkategorien unterteilen:
- Die verstärkte Nutzung von digitalen Kanälen, darunter elektronische Dienstleistungen, mobile Dienste und gemeinsam genutzte Daten;
- Pragmatische Ansätze, um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen, insbesondere durch Call-Centers für Kunden, die digitale Kanäle nicht nutzen können;
- Flexibilität und Anpassung in Bezug auf Anforderungen an persönliche Anwesenheit und Papierdokumentation, um Anträge einzureichen und Formalitäten zu erledigen;
- Einsatz von Mitarbeitenden in neuen Funktionen und Anpassung von Abläufen, um beispiellose Mengen von Geschäftsvorgängen zu bewältigen.
Zentrale Rolle von digitalen Kanälen
Digitale Kanäle spielen eine entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung von Kundendienstleistungen während der COVID-19-Einschränkungen und ihr Einsatz hat erheblich zugenommen. In dieser Hinsicht konnten die Institutionen bereits bestehende E-Service-Portale mit individuell zugeschnittenen Funktionen zentraler Anlaufstellen (One-Stop-Shop) nutzen wie das Portal Ihre soziale Sicherheit der Landesanstalt für soziale Sicherheit Spaniens (INSS), das Mein-Kind-Portal der französischen Landeskasse für Familienzulagen (CNAF) und das Meine-ANSES-Portal von Argentiniens Nationaler Verwaltung für soziale Sicherheit (ANSES). Die Norwegische Arbeitsmarkt- und Wohlfahrtsbehörde (NAV), die sich auch im Wesentlichen auf digitale Kanäle stützt, hat die digitale Kundenbetreuung durch Chatbots weiter ausgebaut.
Alle Institutionen mussten zudem die bestehenden Systeme an neue Vorschriften und Maßnahmen der sozialen Sicherheit anpassen und ihre Widerstandsfähigkeit im Kontext eines plötzlichen Anstiegs der Inanspruchnahme gewährleisten. Anpassungen wie die Umsetzung neuer elektronischer Dienstleistungen zur Erbringung von Notfallleistungen mussten innerhalb kürzester Zeit erfolgen. In Irland musste das Ministerium für Beschäftigungsangelegenheit und Sozialschutz (DEASP) die digitale Bereitstellung neuer Leistungen innerhalb weniger Tage sicherstellen und zugleich die Umstellung von 90 Prozent der Dienstleistungen auf digitale Kanäle ermöglichen. Die CNAF in Frankreich verwirklichte Dienste zur Erbringung neuer Leistungen im Namen der Regierung, was über ihren gewöhnlichen Auftrag hinausgeht – ein gutes Beispiel für die wichtige Fähigkeit von Institutionen der sozialen Sicherheit, Dienstleistungen in Notfallsituationen zu erbringen.
Auch die gemeinsame Nutzung von Datenbanksystemen durch mehrere Organisationen spielte eine zentrale Rolle, um die Koordination unter Institutionen zu ermöglichen. Insbesondere die INSS in Spanien nutzt ein elektronisches Verzeichnis von Informationen der sozialen Sicherheit, während der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ein System mit elektronischen Gesundheitsdaten verwendet, das den Kern der nationalen E-Health-Infrastruktur bildet. Der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger analysiert auch landesweit Verwaltungsinformationen, um COVID-19-gefährdete und Risikogruppen zu ermitteln und gezielte Kommunikation zu entwerfen.
Mehr denn je ist die Kommunikation mit umgänglichen Erklärungen in einfach gehaltener Sprache von zentraler Bedeutung. Digitale Kanäle werden daher auch zur Kommunikation und Information, meist über die Webseiten der Institutionen, verwendet. Daneben hat ANSES in Argentinien die Verwendung sozialer Medien ausgeweitet, um ihre Kommunikation und Betreuung von Kunden zu verbessern.
Ausbau von telefonischen Dienstleistungskanälen
Alle Institutionen räumen dem Erreichen ihrer Kunden höchste Priorität ein. Obwohl digitale Kanäle unter der Bevölkerung immer beliebter werden, können sich bestimmte Kundengruppen mit deren Nutzung schwertun, insbesondere während der aktuellen Kontaktverbote, da sie keinen Zugang zu Unterstützung durch Familie oder Bekanntenkreis haben.
Institutionen haben daher telefonische Kanäle über ihre Call-Center verstärkt, indem sie mehr Mitarbeitende zuteilen, Mitarbeitende durch institutionelle Informationssysteme unterstützen und es ihnen in einigen Fällen ermöglichen, Formalitäten im Namen des Kunden zu erledigen. Telefonische Kanäle wurden zum Hauptkontaktmittel für das DEASP in Irland, und das Arbeitspensum des Call-Centers hat sich verdreifacht. Die CNAF in Frankreich erweiterte die Befugnisse von Call-Center-Mitarbeitenden durch die Einführung eines Verfahrens, mit dem sie Formalitäten für Kunden erledigen können.
Das Erbringen von Qualitätsdienstleistungen in einem solchen Ausnahmekontext ist eine echte Herausforderung. Die Talente und Fähigkeiten der Mitarbeitenden spielen eine entscheidende Rolle, vor allem wenn sie neue Aufgaben erhalten. Um hierauf einzugehen, setzt die NAV in Norwegen verstärkt bestehende Online-Ausbildungssysteme ein. CDG Vorsorge in Marokko hat ihre Qualitätssicherung in den aktuellen außergewöhnlichen Umständen mit Spezialteams verstärkt, die für kritische Verfahren die umfassende Sicherung der Dienstleistungsqualität vom Back-End zum Front-End gewährleisten.
Lockerung der Präsenzanforderungen
Um den Einsatz von digitalen und telefonischen Kanälen zu erleichtern, mussten einige Vorschriften für persönliche Präsenz angepasst werden. Dies betraf insbesondere die Prüfung der Kundenidentität und die Bereitstellung von Papierdokumenten. In Spanien hat die INSS rechtlich bindende Erklärungen herausgegeben, um die vom Kunden erklärte Identität sowie alternative Belege zu akzeptieren, wenn die üblichen nicht bereitgestellt werden können. Außerdem wurden gesetzliche Fristen, die nachteilig für Kunden sein können, aufgehoben, die Dauer von Leistungszahlungen verlängert und vorläufige Leistungen gewährt. ANSES hat in Argentinien ähnliche Maßnahmen getroffen, die eine Validierung der Anträgen beiliegenden Dokumente im Nachhinein erlaubt.
Schlussbetrachtung
Der Kontakt mit allen Kunden und insbesondere mit den am stärksten gefährdeten ist eine grundlegende Pflicht für alle Institutionen der sozialen Sicherheit. Im Kontext der COVID-19-Einschränkungen zeigte die Erfahrung der IVSS-Mitgliedsinstitutionen, dass die Einrichtung digitaler Kanäle und die Förderung digitaler Eingrenzung für Institutionen der sozialen Sicherheit nicht nur eine Option, sondern ein Muss ist.
Mit dem Ausbau bestehender E-Service-Portale, Flexibilität, außerordentlichem Engagement der Mitarbeitenden und hoher Fachkompetenz haben Institutionen der sozialen Sicherheit auf der ganzen Welt beispiellose Fähigkeiten an den Tag gelegt, die nationalen Notfallmaßnahmen unterstützt und zur Linderung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krise beigetragen.
Was die Zukunft betrifft, ist die aktuelle Krise auch eine Gelegenheit, um den Übergang der Dienstleistungserbringung auf digitale Kanäle auf der Grundlage einer Straffung der Kundendienstleistungen und flexiblerer und automatisierter Abläufe zu beschleunigen. Dies wird auch die Bereitschaft für künftige Krisen fördern, für die sich rasche Anpassungen, Änderungen und Innovationen als zentrale Fähigkeiten erwiesen haben. Mit ihren Leitlinien und damit verbundenen Kenntnissen und Dienstleistungen wird die IVSS ihren Beitrag zum Aufbau dieser Fähigkeiten weltweit weiter stärken.