Künstliche Intelligenz in Institutionen der sozialen Sicherheit: Der Fall intelligenter Chatbots

Künstliche Intelligenz in Institutionen der sozialen Sicherheit: Der Fall intelligenter Chatbots

Künstliche Intelligenz (KI) ist im öffentlichen Sektor immer präsenter geworden, und die Behörden erreichen damit für ihre Nutzer eine höhere Effizienz, eine höhere Qualität und stärker personenzentrierte Dienstleistungen. Von dieser Entwicklung sind auch die Institutionen der sozialen Sicherheit nicht ausgenommen. Zwar gibt es unterschiedliche Anwendungsbereiche der KI, von denen jeder weitreichende Auswirkungen hat, aber eindeutig vorherrschend bei der Einführung von künstlicher Intelligenz durch Regierungen sind KI-basierte Dialogsysteme, auch Chatbots genannt.


Eine Erhebung bei 166 staatlichen Behörden weltweit ergab, dass Chatbots mit 26 Prozent der Institutionen, die diese bereits anwenden, und weiteren 59 Prozent, die eine Einführung in den kommenden drei Jahren planen, klar führend sind (Schaubild 1). Bei einer Befragung von 230 öffentlichen Diensten mit KI‑Unterstützung in Europa kam heraus, dass Chatbots im Durchschnitt die erste Wahl sind, und dass sie über ein Fünftel der untersuchten KI-Dienste ausmachten (Europäische Kommission, 2020). Der globale Markt für KI-Dialogsysteme, zu denen auch Chatbots und intelligente virtuelle Assistenten gehören, dürfte von 2020-2025 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (compound annual growth rate, CAGR) von 22 Prozent aufweisen und damit ein Volumen von 14 Milliarden US-Dollars (USD) erreichen (Deloitte, 2017).

Schaubild 1. Arten eingeführter KI-Instrumente in Regierungsstellen
Figure 1. Types of AI adoption across government
Quelle: Gartner, 2021.

Ein Chatbot (oder virtueller Assistent) ist ein Algorithmus, der einen schriftlichen oder mündlichen Dialog führt. Chatbots gelten zwar nicht wirklich als neue Technologie, denn der erste Chatbot wurde bereits 1966 programmiert. Damals wollte man herausfinden, ob Menschen merken, ob sie mit einem anderen Menschen oder mit einer Maschine sprechen. Das Potenzial von Chatbots ist heute jedoch wesentlich größer, da die KI‑Technologie inzwischen große Fortschritte gemacht hat und die Kommunikationsmuster sich verändert haben (Van Noordt und Misuraca, 2019).

Bei Chatbots handelt es sich im Wesentlichen um Computerprogramme, die in der Lage sind, Eingaben von Nutzern anhand von Mustererkennungsverfahren zu entziffern, auf Informationen zuzugreifen und mit entsprechenden Angaben aus einer Wissensdatenbank zu antworten. Elementare Chatbots operieren mit vorgefertigten Antworten, während die fortschrittlichsten Chatbots KI-Systeme verwenden, bei denen Maschinen den sprachlichen Kontext analysieren und verarbeiten (Natural Language Processing, NLP: Verarbeitung natürlicher Sprache bzw. Computerlinguistik), so dass sie heute auch komplexere Aufgaben lösen und menschlicher anmutende Dialoge führen können. Chatbots werden vermehrt auch von Regierungen eingesetzt, um große Kommunikationsvolumen zu bewältigen und den Bürgerinnen und Bürgern zu helfen, sich in den oft komplexen politischen Vorgaben und Gesetzen zurechtzufinden und auf öffentliche Dienstleistungen zuzugreifen (Henman, 2020).

Umsetzung kundenzentrierter Dialoge in Institutionen der sozialen Sicherheit: Erfahrungen von IVSS-Mitgliedsinstitutionen

Angesichts der Bedeutung der Interaktion der Nutzer mit den Verwaltungen der sozialen Sicherheit ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Institutionen der sozialen Sicherheit stark für Chatbots interessieren. Chatbots können zu einer höheren Nutzerzufriedenheit führen und die operative Effizienz verbessern, doch ihre Umsetzung ist keineswegs ein linearer Prozess. Die Möglichkeiten, Kosten und Risiken von Chatbots können sehr unterschiedlich sein, je nach Umsetzungstechnologien, Kommunikationsmitteln, Interaktionszweck, operativen Kapazitäten und verwendetem Kommunikationskanal (IVSS, 2021). Die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) spricht sich in ihren Leitlinien für einen verantwortungsvollen Einsatz von Chatbots aus. In den Leitlinien der IVSS über Kommunikation von Verwaltungen der sozialen Sicherheit (IVSS, 2019a) geht es in Leitlinie 10 um den „strategischen Einsatz neuer Kommunikationstechnologien“ in allen Bereichen, bezogen auf den Einsatz von Chatbots in sozialen Medien und Nachrichtensystemen, und Leitlinie 14 bezieht sich auf „kundenzentrierte Informationen“. In den Leitlinien der IVSS zur Dienstleistungsqualität (IVSS, 2019b) befasst sich Leitlinie 5 mit dem „Verständnis der Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer“, was auch für den Prozess der Entwicklung von Chatbots seine Gültigkeit hat. Und schließlich beziehen sich die Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie (IVSS, 2022a) auf die „Einführung von Servicedesks und die Bearbeitung von Anträgen“, unter anderem durch virtuelle Servicedesks (Leitlinie 17), sowie auf den „möglichen Einsatz von neuen Technologien“, die auch den Einsatz von Chatbots als KI-Anwendung umfassen (Leitlinie 96). Die IVSS förderte zudem den Austausch zwischen Mitgliedsinstitutionen, um die komplexen Besonderheiten von Chatbots zu diskutieren. Insbesondere wurde in einer KI-Sondersitzung der 16. Internationalen IVSS-Konferenz über Informations- und Kommunikationstechnologie in der sozialen Sicherheit auf die Chancen und Herausforderungen KI-gestützter Chatbots hingewiesen. In diesem Artikel werden die Erfahrungen von Mitgliedsinstitutionen analysiert, in ähnlicher Weise wie zuvor in einem Artikel (ISSA, 2021) über Chatbot-Anwendungen in Lateinamerika.

Landesamt für Arbeit, Belgien

Das belgische Landesamt für Arbeit (Office national de l’emploi – ONEM) führte einen Chatbot ein, um das wegen der Coronakrise überlaufene Kontaktzentrum zu entlasten (Landesamt für Arbeit, 2021 und 2022). Der erste Chatbot mit dem Namen Marc wurde im Mai 2020 auf der ONEM-Website aufgeschaltet. In einer frühen Phase sollte er nur eine Art von Nutzeranfragen beantworten: Bürgerinnen und Bürger konnten damit schnell eine Kopie ihrer Lohnsteuerbescheinigung erhalten, die sie für ihre Steuererklärung benötigen. Im Mai 2021 wurden die Fähigkeiten des Chatbots dann stark erweitert, und ein neuer Chatbot mit dem Namen Ori wurde gestartet. Nach einer Analyse der von den Nutzern gestellten Fragen wurde im Dezember 2021 eine aktualisierte Version aufgeschaltet. Sie kann heute zahlreiche Fragen zur Arbeitslosigkeit und zum Unterbruch der Erwerbsarbeit beantworten. Der Chatbot hilft den Nutzern auch, sich leichter auf der ONEM‑Website zurechtzufinden. Außerdem dient er der Förderung der Nutzung der belgischen e-box, des elektronischen Briefkastens, über den die Behörden auf sichere Weise mit den Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren können. Vor allem erinnert sich der Chatbot an den Kontext der Nutzer, wenn diese ihm Fragen stellen, und damit ist sichergestellt, dass er ihnen ungeachtet ihres Orts auf der Website und ihrer Navigationshistorie helfen kann. Schließlich werden die vom Chatbot abgedeckten Themen auch regelmäßig aktualisiert, und zwar in Abhängigkeit der Fragen der Nutzer.

Sozialversicherungsanstalt, Finnland

Die finnische Sozialversicherungsanstalt (Kansaneläkelaitos – KELA) führte zwei Chatbots ein, KELA-Kelpo und FPA-Folke, um den Nutzern bei der Informationssuche über Leistungen im Selbstbedienungs-Webportal der KELA zu helfen (Sozialversicherungsanstalt, 2022a und 2022b). Die Chatbots beruhen auf der Verarbeitung natürlicher Sprache und sprechen zwei Sprachen, Finnisch und Schwedisch, verstehen aber auch Englisch. Die KELA führte Chatbots bereits im Jahr 2017 ein und erweiterte diese bis 2021 durch Informationen über neue Leistungen. Diese Chatbots wurden 2020 zu KELA-Kelpo und FPA-Folke zusammengelegt, damit die Nutzer bei der Informationssuche über Leistungen nicht zwischen verschiedenen Chatbots hin- und herwechseln müssen. Diese Dialog-Chatbots machen es nun einfacher, Informationen zu finden und zu verstehen und Leistungsanträge auszufüllen. Außerdem bietet der konsolidierte Chatbot Tipps an, die auf Kontextvariablen von Nutzern beruhen, welche Anträge für Leistungen wie Elterngeld, Sozialhilfe usw. stellen möchten. Während der Pandemie wurde vorübergehend ein besonderer Chatbot eingesetzt, der Fragen zur coronabezogenen Sozialhilfe beantwortete.

Deutsche Rentenversicherung Bund

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV-Bund) führte einen Chatbot ein, der häufige Fragen von Versicherten beantwortet (Deutsche Rentenversicherung Bund, 2021). Hauptziel war es, einen Informationszugang rund um die Uhr sicherzustellen und darüber hinaus anhand der Erfahrungen mit einem ersten Versuch später einen deutlich verbesserten Chatbot zu entwickeln. Der Chatbot simuliert anhand von KI-Technologien natürliche Sprache, und so erhalten die Mitarbeitenden Zeit, sich komplexeren Aufgaben zuzuwenden. Der Chatbot befindet sich in einer frühen Implementierungsphase und wird erst bei 5 Prozent der Anfragen genutzt. Die DRV-Bund möchte den Chatbot aber ausbauen und demnächst eine Hilfe für das Ausfüllen von Formularen integrieren.

Angestelltenvorsorgefonds, Malaysia

Der malaysische Angestelltenvorsorgefonds (Employees Provident Fund – EPF) führte den Chatbot ELYA (EPF Loves You Always) ein, einen zweisprachigen virtuellen Assistenten, der auf der Verarbeitung natürlicher Sprache beruht und durch einen live chat unterstützt wird (Angestelltenvorsorgefonds, 2021a und 2021b). Der EPF verfügte davor zwar über ein Kontaktzentrum, das Anfragen beantwortete, aber das tägliche Volumen lag mit 5 000 Anrufen über der Kapazität von 4 000 Anrufen pro Tag, so dass 25 Prozent der Fragen nicht beantwortet werden konnten. Gleichzeitig standen für 82 Prozent der Anfragen bereits Antworten auf der EPF-Website bereit, so dass die Arbeit des Kontaktzentrums nicht wirklich wirksam war. In einer weiteren Erhebung ergab sich, dass 55 Prozent der Nutzer die Navigation auf der EPF-Website als schwierig erachteten. Daraufhin wurde ELYA eingeführt, um den Nutzern zu helfen, die benötigten Informationen selbst zu suchen. So konnte das Kontaktzentrum deutlich entlastet werden.

Vor dem Start von ELYA wurden die Herausforderungen und Bedürfnisse in den Jahren 2017-2018 genau analysiert. Ein erster einfacher Bot wurde 2019-2020 eingeführt, gefolgt vom aktuellen Dialogbot 2021-2022. Der EPF plant, ELYA in den Jahren 2023-2024 weiter auszubauen, so dass der Bot auch Tipps geben kann. ELYA spricht sowohl Englisch als auch Bahasa Malaysia und beantwortet Fragen oder informiert interaktiv mit Informationen zu rund 30 Produkten und Dienstleistungen des Angestelltenvorsorgefonds. Er steht rund um die Uhr auf der EPF-Website zur Verfügung, und während der Arbeitszeiten stehen im Hintergrund Mitarbeitende bereit, die nötigenfalls einspringen und Fragen fachkundig beantworten können. ELYA kann auf eine umfassende Wissensbasis zugreifen, die anhand von Inputs von Kundendienstmitarbeitenden, E-Mails von Nutzern und häufigen Fragen im Kontaktzentrum erstellt wurde. Ausgangspunkt für die Initiative waren die Leitlinien der IVSS über Kommunikation von Verwaltungen der sozialen Sicherheit, insbesondere Leitlinie 14 über „kundenzentrierte Informationen“. Außerdem wurden die vier Grundsätze aus den Leitlinien der IVSS über Good Governance (IVSS, 2019c) – Transparenz, Berechenbarkeit, Partizipation und Dynamik – und die Nutzung einfacher, gut verständlicher Sprache berücksichtigt, mit einem besonderen Augenmerk auf nutzerzentrierte Plattformen.

Ergebnisse

In Tabelle 1 sind die Ergebnisse zusammengestellt, die diese Institutionen mit ihren Chatbots erreicht haben:

Tabelle 1. Mit Chatbots erzielte Ergebnisse
Institution Ergebnisse
ONEM, Belgien
  • 16 833 Personen haben auf den Chatbot zugegriffen, was fast 9 % der Website-Besucher entspricht (Sept. 2021).
  • 18 616 Gespräche mit dem Chatbot wurden registriert (Sept. 2021).
  • 55 275 Fragen wurden an den Chatbot gerichtet, von denen nur 616 vom Chatbot nicht richtig verstanden werden konnten (Sept. 2021).
Kela, Finnland
  • 64 372 geführte Dialoge mit dem Chatbot (2021).
  • 108 817 gestellte Fragen (2021).
  • 89 Prozent Dialogqualität und 40 Prozent positive Rückmeldungen.
  • Der coronabezogenen Chatbot führte während seines Bestehens 18 678 Dialoge und beantwortete 31 567 Fragen.
DRV Bund, Deutschland
  • In Anfangsphase – Ergebnisse stehen noch aus.
EPF, Malaysia
  • 1,6 Mio. aufgezeichnete Dialoge von Juni 2020 bis März 2021, mit durchschnittlich 6 100 Dialogen pro Tag und einer durchschnittlichen Dauer von 12 Min., was eine hohe Kundenzufriedenheit (4,1/5) mit der gesamten digitalen Kommunikationsstrategie des EPF zur Folge hatte.

Erfolgsentscheidende Faktoren

Die Übersetzung komplexer administrativer und rechtlicher Informationen in Dialoginhalte erfordert eine äußerst sorgfältige Gestaltung mit Trainings- und Testphasen. Das belgische ONEM setzte Kundendienstspezialisten ein, die inhaltliche Beiträge zum Projekt leisteten und den Chatbot laufend testeten, um sicherzustellen, dass die Sprache von typischen Nutzern verstanden wird. Der malaysische EPF testete das Verständnis und die Antwortgenauigkeit des Chatbots mit 200 Testern in den Alpha- und Betaphasen der Produktentwicklung, bevor der Chatbot schließlich aufgeschaltet wurde. Wird der Bot mit „menschlichen Zügen“ und einer „Persönlichkeit“ ausgestattet, kann dies den Nutzern helfen, einen emotionalen Bezug zu ihm zu finden. Die DRV-Bund hat herausgefunden, dass der Name „Chatbot“ für viele Nutzer eher abweisend klingt. Unter Berücksichtigung genau dieser Tatsache versuchte man in Malaysia beim EPF, für ELYA eine besonders benutzerfreundliche „Persönlichkeit“ zu entwerfen.

Für eine anhaltend hohe Nutzerakzeptanz braucht es ständige Wartung und Verbesserungen. Wichtig ist, die Dialogqualität und die Antwortgenauigkeit mit vordefinierten Angaben zu vergleichen. Das ONEM in Belgien führte täglich Analysen der Chatbot-Dialoge durch, um fehlerhafte Antworten schnell korrigieren zu können. Im Fall der finnischen KELA wurden Antworten auf Fragen, die der Chatbot nicht beantworten konnte, je nach der Häufigkeit der Fragen sofort von Mitarbeitenden online beantwortet. In Malaysia integriert der EPF ausgehend von der Analyse der Nutzeranfragen ständig neue Batches mit Computerlinguistik-Funktionen.

Erfolgreiche Chatbots beruhen auf der Arbeit eigens dafür abgestellter Mitarbeitender und einer Zusammenarbeit zwischen den Teams. Das belgische ONEM ernannte einen Chatbot-Manager, der für die Entwicklung und das Trainieren des Bots verantwortlich ist. Dieser Chatbot-Manager verfügt über ein hohes Interesse für IT, aber seine Kernkompetenz liegt in der genauen Kenntnis der Dienstleistungen und Produkte der Institution. Der Chatbot-Manager arbeitet zudem eng mit den Teams für IT, Kundendienst usw. zusammen. In Finnland beschäftigt die KELA „Bot-Flüsterer“, also Mitarbeitende, die gemeinsam mit Kundendienstspezialisten den Dialog entwerfen, die KI trainieren und für die Aufrechterhaltung der Qualität sorgen. Die DRV-Bund verfügt über ein Herausgeberteam aus Verwaltungsfachangestellten, die in der Dialogführung geschult wurden. In Malaysia setzte der EPF ein multidisziplinäres Team aus Bot-Entwicklern, Dialoggestaltern, Bot-Trainern, Systemadministratoren und KI-Analytikern ein.

Für einen wirksamen Betrieb der Chatbots braucht es sowohl Investitionen in die Infrastruktur als auch in das Personal. Die DRV-Bund untersuchte verschiedene Möglichkeiten, wie der Chatbot in die Website integriert werden kann. Entscheidend für die Wahl der Technologien waren der vorherige Technologiebestand und das erwartete Anfragenvolumen. Im Fall der DRV-Bund konnten die Kosten dank der Nutzung von Technologien eines größeren Cloud-Anbieters gesenkt werden.

Schließlich ist es auch wichtig zu betonen, dass Chatbots nur einer von vielen möglichen Kommunikationskanälen sind. Für einen wirksamen Kundendienst der Institutionen der sozialen Sicherheit braucht es ein breites Spektrum digitaler und physischer Kanäle, wobei jeder Kanal über einzigartige, diejenigen der anderen Kanäle ergänzende Merkmale verfügt. So ergänzt die KELA ihren Chatbot mit 147 Dienstleistungsstellen für Bürger, mit Fernservice-Stellen in 79 Gemeinden, mit elektronischen Dienstleistungen und mit einem Kontaktzentrum. Vor allem im Fall des Internet-Chatbots stellt die KELA sicher, dass dieser nicht einfach die Informationen der Website wiederholt, sondern die Nutzung der Website durch zusätzliche Details und Beispiele erleichtert. Bei der Planung und Zuweisung der Ressourcen sollte allerdings bedacht werden, dass die Chatbots sich im Zeitverlauf verbessern und daher möglicherweise weniger Nutzer auf alternative Kanäle zugreifen werden.

Schlussbemerkungen

Laut verschiedenen Schätzungen werden die Menschen Ende 2022 häufiger mit Bots sprechen als mit ihren Ehepartnern (Deloitte, 2017). Chatbots werden deshalb für die Institutionen der sozialen Sicherheit zu einem integralen Bestandteil der allgemeinen Strategie der Nutzerkommunikation.

Aus den in diesem Artikel beschriebenen Erfahrungen von IVSS-Mitgliedern lassen sich für die Institutionen der sozialen Sicherheit wichtige Lehren ziehen. Erstens dienen Chatbots als Ergänzung zu den herkömmlichen digitalen und menschlichen Kanälen: Einige Kanäle können durch sie ersetzt werden, andere werden verbessert und wiederum andere werden weiterhin neben den Chatbots bestehen, beispielsweise wenn der Einsatz von Chatbots aufgrund datenschutzbezogener und rechtlicher Bestimmungen eingeschränkt ist. Zweitens darf der Vorlauf für die Entwicklung von Chatbots nicht unterschätzt werden. Die Institutionen sind gut beraten, mit dem Chatbot-Einsatz klein und in beschränktem Umfang anzufangen, wie die Beispiele des ONEM in Belgien und des EPF in Malaysia zeigen. Drittens ist es aufgrund der hohen Komplexität der Entwicklungsalgorithmen, die für die Übersetzung der administrativen Informationen in kontextangepasste Dialoginhalte eingesetzt werden, erforderlich, dass das Verfahren für das Training und für die schnelle Aufschaltung neuer Computerlinguistik-Lösungen mit maschinellem Lernen in interaktiven Zyklen erfolgt, deren Dauer möglichst kurz ist und oft gar nur einen Tag beträgt. Dazu braucht es Investitionen in besonderes Personal, meist spezialisierte Kundendienstmitarbeiter, die täglich Analysen, Überprüfungen und Wartungsarbeiten durchführen. Viertens müssen die Chatbots unter Berücksichtigung der Nutzerperspektiven entwickelt werden, was die Einholung häufiger Rückmeldungen von Nutzern erfordert. Und schließlich gilt es beim Einsatz von Chatbots, die rechtlichen und ethischen Vorgaben zu beachten (Henman, 2020). So hatte das belgische ONEM sicherzustellen, dass der Bot keine personenbezogenen Daten sammelt, da diese durch die strengen Datenschutzbestimmungen geschützt sind. Die KI wird zwar immer ausgereifter, aber gleichzeitig wächst die Gefahr, dass sie in der Interaktion mit den Nutzern auch schädliche Verhaltensweisen lernt (IVSS, 2020).

Wie die oben aufgeführten Erfahrungen zeigen, sind Verwaltungen der sozialen Sicherheit, die -Haftungs- und Nutzerschutzfragen proaktiv angehen, besser aufgestellt, wenn es darum geht, vom Einsatz intelligenter Chatbots zu profitieren. Die IVSS unterstützt ihre Mitgliedsinstitutionen bei der Einführung von Chatbot-Technologien und der Bewältigung der Umsetzungsherausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung von KI. Dazu entwickelt sie Leitlinien (IVSS, 2022a), teilt gute Praxis von Institutionen (IVSS, 2020 und 2022b) und organisiert Zusammenkünfte zu einschlägigen Themen.

Referenzen

Angestelltenvorsorgefonds. 2021a. ELYA: Der zweisprachige virtuelle Assistent des Angestelltenvorsorgefonds - Den Kunden eine eigenständige Nutzung der Dienstleistungen ermöglichen – immer und überall (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Angestelltenvorsorgefonds. 2021b. EPF Chatbot: A case study in Malaysia (IVSS-Webinar: Verbesserung des Kundenservices durch intelligente Chatbots, 8. Dezember). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Deloitte. 2017. Conversational AI - Five vectors of progress. Chatbots. London.

Deutsche Rentenversicherung Bund. 2021. Using chatbots to improve e-services: What we learned at the ZfA division of DRV-Bund (IVSS-Webinar: Verbesserung des Kundenservices durch intelligente Chatbots, 8. Dezember). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Europäische Kommission. 2020. AI watch - Artificial intelligence in public services. Luxemburg, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.

Gartner. 2021. Gartner says government organizations are increasing investment in AI, but their workforce remains apprehensive. Stamford, CT, Gartner Inc.

Henman, P. 2020. „Improving public services using artificial intelligence: possibilities, pitfalls, governance“, in Asia Pacific Journal of Public Administration, Bd. 42, Nr. 4.

IVSS. 2019a. Leitlinien der IVSS über Kommunikation von Verwaltungen der sozialen Sicherheit. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2019b. Leitlinien der IVSS zur Dienstleistungsqualität. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2019c. Leitlinien der IVSS über Good Governance. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2020. Künstliche Intelligenz in der sozialen Sicherheit: Hintergründe und Erfahrungen. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2021. Die Anwendung von Chatbots in der sozialen Sicherheit: Erfahrungen aus Lateinamerika. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2022a. Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2022b. IKT-Antworten auf die Coronapandemie: Beschleunigte digitale Transformation zum Aufbau besserer und resilienterer Sozialschutzsysteme (Zusammenfassender Bericht 2020–2022 eines IVSS-Fachausschusses) Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Landesamt für Arbeit. 2021. Chatbot Ori (IVSS-Webinar: Verbesserung des Kundenservices durch intelligente Chatbots, 8. Dezember). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Landesamt für Arbeit. 2022. Einrichtung eines Chatbots auf der Website des Landesamts für Arbeit (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Sozialversicherungsanstalt. 2022a. Kela-Chatbot: Zweisprachige Hilfe für Online-Kunden täglich rund um die Uhr (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Sozialversicherungsanstalt. 2022b. Kelas bilingual chatbot (Präsentation an der 16. Internationalen IVSS-Konferenz über Informations- und Kommunikationstechnologie in der sozialen Sicherheit, Estland). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Van Noordt, C.; Misuraca, G. 2019. New wine in old bottles: Chatbots in government (Conference paper, 11th International Conference on Electronic Participation (ePart), San Benedetto Del Tronto, September).