Analyse

Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug in der sozialen Sicherheit: Gute Praxis aus Amerika

Analyse

Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug in der sozialen Sicherheit: Gute Praxis aus Amerika

Hinterziehungs- und Betrugsfälle in der sozialen Sicherheit verursachen hohe soziale und wirtschaftliche Kosten, schaffen Ungleichgewichte in den Konten der sozialen Sicherheit und führen letztlich zu wirtschaftlichen Verzerrungen, die sich ungünstig auf den Betrieb und die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften auswirken. Sie haben auch politische Auswirkungen, da sie den Ruf der die Programme der sozialen Sicherheit betreibenden Institutionen schädigen. Hinterziehung und Betrug führen bei Systemen der sozialen Sicherheit zu Einkommenseinbußen von schätzungsweise drei bis fünf Prozent und machen in OECD-Ländern bis zu zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus (RAND Europe, 2014). In Ländern mit weniger formalisierten Arbeits-märkten dürften diese Zahlen noch höher liegen.

Auf dem IVSS-Weltforum für soziale Sicherheit 2019 in Brüssel, Belgien, lancierte die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) die Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit. Diese Leitlinien der IVSS bestehen aus Empfehlungen und Vorschlägen zur Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug sowie aus ergänzenden Beispielen guter Praxis, mit denen die Institutionen die besten Ansätze für ihre besonderen Umstände finden können. Die Entwicklung der Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit greift auf umfassende Untersuchungen zurück, so auf einen Bericht (Goveia und Sosa, 2016) und auf internationale Seminare 2013 und 2018 in Madrid, die von spanischen IVSS Mitgliedern für einen hochrangigen Erfahrungsaustausch organisiert worden waren.

Vor diesem Hintergrund liefert der vorliegende Artikel einen kurzen Überblick über die Themen Fehler, Hinterziehung und Betrug in der sozialen Sicherheit und über Ansätze, mit denen man diese Herausforderungen bewältigen kann. Grundlage dafür sind die Beispiele guter Praxis, die 2020 zum Wettbewerb um den IVSS-Preis für gute Praxis in Amerika eingereicht wurden. Die jüngsten Innovationen der IVSS-Mitglieder in der Region lassen sich in vier Gruppen unterteilen:

  1. Anwendung fortgeschrittener Informations- und Kommunikationstechnologien zur verbesserten Validierung von Tätigkeiten und Leistungsauszahlungen;
  2. Koordination und systematischer Datenabgleich mit Dritten zur automatischen Bestätigung der Erklärungen von Versicherten und Beitragszahlern und zur Ergänzung von Akten mit Daten ohne persönliches Vorsprechen;
  3. Ausbau der Inspektionskapazitäten und fachlichen Kompetenzen der dafür zuständigen Teams;
  4. verstärkte Durchsetzung von Sanktionen und entsprechende öffentliche Kommunikation.

Anwendung fortgeschrittener Informations- und Kommunikationstechnologien

Dieser Ansatz beruht hauptsächlich auf dem strategischen Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). IKT sind unverzichtbar, wenn es darum geht, mögliche Betrugsfälle, atypische Kundenprofile und Risikoszenarien automatisch zu erkennen. Die Anwendung von IKT zur Prävention und Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten folgt den Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere Abschnitt B4 über Datenanalyse. In IVSS-Webinaren wurde jüngst auch über den Einsatz von Datenanalysen zur Betrugsbekämpfung orientiert.

Gute Praxis in diesem Bereich zeigt, wie wichtig spezialisierte Software ist. Entsprechende Programme entwickelten etwa die argentinische Bundesverwaltung der Staatseinnahmen (Administración Federal de Ingresos Públicos – AFIP) und die Bank für Sozialversicherung Uruguays (Banco de Previsión Social – BPS). In Argentinien erlaubt ein IT-Tool mit dem Namen „System zur Berechnung von Verpflichtungen der sozialen Sicherheit – Modul für Prüfungsbescheinigungen“ (Sistema de Cálculo de Obligaciones de la Seguridad Social – Módulo de Actas de Inspección) die Sammlung und Verteilung von Mitteln, die der Dienst für Steuerprüfung eingetrieben hat (Bundesverwaltung der Staatseinnahmen, 2016). Seit einigen Jahren hilft die Anwendung, die Berechnung und Eintreibung ausstehender Beiträge der sozialen Sicherheit zu beschleunigen und zu straffen. Die BPS Uruguays hat eine „Integrierte Lösung für die Auswahl zu überwachender Fälle“ (Solución Integral de Selección de Casos a Fiscalizar) entwickelt. Damit lassen sich Beitragszahler ermitteln, die gemäß den Ergebnissen von Modellierungen und prädiktiven Analysen genauer überprüft werden sollten (Bank für Sozialversicherung, 2016).

Mit hochentwickelten Informationssystemen und Big-Data-Verfahren kann die Umsetzung wirksamer Maßnahmen gegen Fehler, Hinterziehung und Betrug ebenfalls verbessert werden. Wie ein Webinar über die Anwendung von Analyseverfahren zur Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug zeigt, implementierte DATAPREV, ein Unternehmen für Information und Technologie der sozialen Sicherheit (Empresa de Tecnologia e Informações da Previdência Social) aus Brasilien ein Big-Data-System, das mit Entscheidungshilfe-Tools verbunden ist und mögliche Betrugsversuche erkennt, mit denen versucht wird, Arbeitslosigkeitsleistungen zu erschleichen. In ähnlicher Weise entwickelte die Sozialversicherungsanstalt Mexikos (Instituto Mexicano del Seguro Social – IMSS) ein Big-Data-System, das Analyseverfahren einsetzt, um unterschiedliche Fälle möglichen Betrugs zu erkennen, so auch die Nichteinhaltung von Bestimmungen. Zudem nutzte die IMSS Informationssysteme, um die Deckung von Hausangestellten zu fördern und das Risiko einer Hinterziehung durch Arbeitgeber zu verringern.

In Argentinien führte der Rentenfonds für Angestellte in der Provinz Entre Rios ein System für die Kontrolle von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen ein (Föderaler Sozialversicherungsrat, 2020a). Dank des zusätzlichen Austauschs zwischen den Institutionen sind gemeinsame Datenbanken effizienter denn je geworden. Darüber hinaus hilft ein zentraler Online-Kanal für die Deklaration und Entrichtung von Beiträgen der sozialen Sicherheit anstelle der vielen Kanäle, über die Unternehmen bisher ihre Daten den Behörden übermittelten, Unstimmigkeiten, Überzahlungen und doppelte Zahlungen zu vermeiden. Viele der Praktiken von IVSS-Mitgliedern aus Amerika werden in den Leitlinien der IVSS über Beitragseinzug und Einhaltung der Bestimmungen vorgestellt. Außerdem setzen die AFIP und die Nationale Verwaltung für soziale Sicherheit (Administración Nacional de la Seguridad Social – ANSES) Argentiniens IKT ein, um ein integriertes nationales Register von Fehler-, Betrugs- und Hinterziehungsfällen und von Personen, die in den Betrug der sozialen Sicherheit verwickelt waren, zu erstellen. Damit wird das öffentliche Bewusstsein für diese Betrugsfälle geschärft, und betrügerische Unternehmen werden automatisch sanktioniert, so dass sie beispielsweise nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen können.

Koordination und systematischer Datenabgleich mit Dritten

In Abschnitt G der Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit geht es um die Abstimmung mit anderen institutionellen Akteuren. Darin wird empfohlen, dass die Behörden der sozialen Sicherheit bei Finanzbetrug und bei falschen Angaben zum Wohnsitz ihre Informationen mit dem Finanzministerium, bei Schwarzarbeit mit den Arbeitsaufsichtsbehörden und bei Identitätsbetrug mit dem Innenministerium abgleichen usw.

In Argentinien wenden AFIP und ANSES Maßnahmen zur Risikoreduktion an, indem sie permanent Daten der sozialen Sicherheit austauschen. Dieser Datenaustausch kann auch auf Finanzinstitute erweitert werden, wie in Ecuador, wo die Ecuadorianische Anstalt für soziale Sicherheit (Instituto Ecuatoriano de Seguridad Social – IESS) Vereinbarungen mit Finanzinstituten, darunter öffentlichen und privaten Banken, getroffen hat, um den Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen zu verbessern (Ecuadorianische Anstalt für soziale Sicherheit, 2020a). Die brasilianische Landesanstalt für soziale Sicherheit (Instituto Nacional do Seguro Social – INSS) stellt ihre Daten allen Parteien zur Verfügung, die das System der sozialen Sicherheit finanzieren (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Institutionen), und ermöglicht so Überprüfungen, bei denen sich mögliche Unstimmigkeiten erkennen lassen. Die INSS führte auch Lösungen mit künstlicher Intelligenz zur Betrugsbekämpfung ein. Die Initiative nutzt institutionsübergreifende Informationssysteme, in denen jeder Todesfall digital registriert und kommuniziert wird und bei jedem Missbrauch von Mitteln und jeder ungerechtfertigten Zahlung sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Diese gute Praxis ist eine Umsetzung der Empfehlungen in den Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit, insbesondere in den Leitlinien 35, 36 und 37 über Partnerschaften mit anderen institutionellen Akteuren. Durch prädiktive Analysemodelle, die man auf Big Data anwendet, lassen sich bei unregelmäßigen Zahlungsmustern und wiederholten Zahlungsrückständen Risikogruppen erkennen, die möglicherweise Beiträge hinterziehen. Eindeutige Identifikationsnummern, wie sie in Leitlinie 9 vorgeschlagen werden, erleichtern den Datenabgleich. Da die Institutionen der sozialen Sicherheit den Datenschutzbestimmungen unterstehen, können sie einen Zugang zu den Bankauszügen der Beitragszahler und Leistungsempfänger beantragen, wenn sie die gemachten Angaben überprüfen wollen.

Ausbau der Inspektionskapazitäten

Wenn zwei oder mehr Parteien am Begehen einer betrügerischen Handlung beteiligt sind, dann werden diese Parteien je nach Rechtssystem gemeinsam oder einzeln für den Verstoß verantwortlich gemacht. Die Gerichte können manchmal die gesamte Kette der am betrügerischen Handeln beteiligten Parteien gesetzlich haftbar machen, vom Hauptanstifter bis hin zu den Partnern und Subunternehmern. Zur verbesserten Erkennung derjenigen, die Teil dieser komplizierten Netzwerke sind, setzen sich die Verwaltungsfachleute der sozialen Sicherheit mit nationalen Behörden und auch mit nationalen Registern zusammen, um die Schuldigen zu identifizieren und sie an die Justiz zu überführen.

Die ecuadorianische IESS entwickelte ein integriertes Managementmodell, um Hinterziehung und Unterdeklaration besser zu kontrollieren (Ecuadorianische Anstalt für soziale Sicherheit, 2020b). Kern ist ein statistisches Modell, mit dem Unternehmen mit der höchsten Hinterziehungsquote anhand von Daten der IESS sowie anderer öffentlicher Stellen wie Steuerbehörden, Arbeitsministerium, Arbeitsaufsicht und Innenministerium identifiziert werden können. Ziel ist es, Inspektionen gezielt in denjenigen Unternehmen vorzunehmen, die die höchste Wahrscheinlichkeit aufweisen, Beiträge zu hinterziehen oder zu wenig zu deklarieren.

Der Ausbau der institutionellen Kapazitäten in diesem Bereich verlangt weitreichende interne Umstellungen. Die nachstehenden Beispiele zeigen, welche Strategien derzeit in Amerika verfolgt werden:

  1. Verbesserung des institutionellen Risikomanagements wie bei der Sozialversicherungskasse von Costa Rica (Caja Costarricense de Seguro Social – CCSS), die operative und strategische Pläne implementierte. Um das Management ihrer operativen und strategischen Risiken zu verbessern, entwickelte die CCSS ihren Ansatz weiter und anstatt lediglich die Bestimmungen einzuhalten, führte sie einen standardisierten Rahmen ein, der wertvolle Daten für die Entscheidungsfindung liefert (Sozialversicherungskasse von Costa Rica, 2020). Die Ziele der Initiative lauten: Konsolidierung des Prozesses auf der Grundlage bester Praxis und der Empfehlungen in den Leitlinien der IVSS über Good Governance, regelmäßige Qualitätsprüfungen von Risikodaten, ein innovatives und detailliertes Risikoinventar dank neuer Datenbanken zu institutionellen Risiken (Catálogo Institucional de Riesgos) und stärkere Berücksichtigung strategischer Risiken in der strategischen und taktischen Planung.
  2. Aktualisierung der Instrumente, die bei der Inspektion von den Mitarbeitenden in der Betrugsbekämpfung eingesetzt werden. Ein Beispiel guter Praxis besteht darin, das grundlegende Inspektionshandbuch sowie die bereichsspezifischen Inspektionshandbücher (z. B. über Schein-Unteraufträge) regelmäßig zu aktualisieren, um sicherzustellen, dass sie ihren Zweck erfüllen. Dies umfasst auch die Einrichtung und regelmäßige Aktualisierung von Datenbanken mit Gerichtsurteilen über illegale Arbeit und Sozialdumping. Außerdem sollten den für die Inspektion zuständigen Mitarbeitenden laufend Weiterbildungen und Entwicklungsmöglichkeiten durch gezielte Module angeboten werden, die dem Beispiel der „Lernpfade“ (Trilhas de Aprendizagem) folgen, wie sie die INSS in Brasilien entwickelt hat (Landesanstalt für soziale Sicherheit, 2020). Dank dieser Online-Weiterbildung können INSS-Mitarbeitende je nach verfügbarer Zeit selbstständig und vollkommen unabhängig voneinander regelmäßig aktualisierte Weiterbildungsmodule absolvieren. Die BPS Uruguays ihrerseits setzt neue Technologien ein, um die Mitarbeitenden mit mobilen Tools auszustatten, mit denen sie bei der Inspektion vor Ort sofort prüfen können, ob die Verpflichtungen der sozialen Sicherheit eingehalten werden (Bank für Sozialversicherung, 2020).
  3. Entwicklung einer nationalen ministerienübergreifenden Anreiz- und Koordinationsstrategie. Ziel ist es, nicht nur die nationale Betrugsbekämpfung zu unterstützen, sondern auch sicherzustellen, dass man sich mit den anderen ministerienübergreifenden Initiativen und Vertretungen abstimmt, die dafür zuständig sind, illegale und nicht deklarierte Beschäftigung sowie Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung zu unterbinden.
  4. Einführung umfassender Untersuchungen, um ein genaueres Profil der Betrüger zu gewinnen. Das kanadische Ministerium für Beschäftigung und soziale Entwicklung (Employment and Social Development Canada – ESDC) führte beispielsweise ein Tool für die Betrugsmeldung für alle Kanadierinnen und Kanadier ein, damit sie mögliche Betrugsfälle melden können, die ihnen bekannt sind. Damit gelingt es, das System der sozialen Sicherheit zum Wohl aller besser zu schützen. Eine neuere Initiative besteht darin, dass bei Betrug im Zusammenhang mit der kanadischen Krisennothilfe (CERB) – einer Leistung bei Beschäftigungslücken während der Pandemie – schneller gehandelt wird (Buzzetti und Vastel, 2020).

Wirksamere Sanktionen und die Bedeutung der Kommunikation

Die Mittel und Befugnisse, über die Institutionen der sozialen Sicherheit in der Betrugsbekämpfung verfügen, können im Gesetz harmonisiert werden. Die Sanktionen können auch härter gestaltet werden, indem man einige Bedingungen genauer festlegt. Je schneller beispielsweise Beschwerdeverfahren umgesetzt werden, desto mehr trägt dies zur Glaubwürdigkeit des Systems bei. In Brasilien führte die INSS eine Hilfsstruktur ein, die die Abläufe beschleunigen soll, bevor die Fälle vor den Beschwerdeausschuss für Leistungen der sozialen Sicherheit Conselho de Recursos de Previdência Social (CRPS) gelangen. Dieses neue „Krisenkabinett“ Gabinete de Crise de Diligências (GCD), bestehend aus Mitgliedern von CRPS und INSS, prüft Beschwerdeakten im Voraus, so dass diese nicht aufgrund fehlender Dokumente während des Beschwerdeprozesses später ergänzt werden müssen. Dies ermöglicht einen reibungsloseren und wirksameren Ablauf (Ministerium für Wirtschaft – Sekretariat für soziale Vorsorge, 2020).

Bei den Beiträgen führen Verstöße oft zu verwaltungsrechtlichen Sanktionen (Streichung von Ausnahmen oder Beitragssenkungen, Auferlegung zusätzlicher Gebühren und Bußen usw.) und gelegentlich auch zu Strafprozessen. Mittlerweile werden dynamische Betrugserkennungsverfahren angewendet, die auf Profiling-Lösungen und die Kennzeichnung potenzieller Risiko-Fälle setzen, wie beispielsweise in Uruguay, wo die BPS ein spezielles prädiktives Analysesystem einsetzt (Bank für Sozialversicherung, 2017).

Kommunikation ist in diesem Bereich von zentraler Bedeutung, wie in den Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit und insbesondere in Abschnitt F betont wird. Wird dieser Aspekt vernachlässigt, dann steigt das Risiko, Boden an bestens vernetzte und finanziell gut ausgestattete kriminelle Organisationen zu verlieren. Eine adäquate Kommunikationsstrategie ist entscheidend, um die Vorteile eines Schutzes der sozialen Sicherheit herauszustreichen und über Erfolge von Sanktionen zu berichten, mit denen ein Exempel statuiert werden kann. Dies wird auch in den Leitlinien der IVSS über Kommunikation von Verwaltungen der sozialen Sicherheit empfohlen. In einem Webinar zur Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug und deren Anpassung an den COVID-19-Kontext verwies die Kolumbianische Rentenverwaltung (Administradora Colombiana de Pensiones – ColPensiones) auf ihre Strategie zur Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug, die auch den Aufbau einer Kultur gegen Betrug umfasst.

Als weitere gute Praxis gilt eine kanadische Kommunikationskampagne, in der es heißt, Betrug sei Diebstahl am Gemeinwohl. Hier werden die Namen derjenigen, die gefasst und sanktioniert wurden, öffentlich bekannt gemacht. Eine solche Strategie kann eine soziale Multiplikatorwirkung entfalten, da ein bekannt gemachter Betrugsfall im Durchschnitt fünf nicht erkannte Betrüger wieder in die formelle Beschäftigung zurückkehren lässt. Die Multiplikatorwirkung erhöht sich weiter, wenn die durchgesetzten Sanktionen in einer breiten Kampagne kommuniziert wurden. Dies ist das Prinzip der öffentlichen Anprangerung, die so weit gehen kann, dass man das betrügerische Unternehmen von der Teilnahme an bestimmten öffentlichen Ausschreibungen ausschließt. Diese Strategie beruht auf verschiedenen Methoden und umfasst auch das Verhältnis der Institution zu den Versicherten (externe Kommunikation) bis hin zum Verhältnis zur Regierung und zur Presse (Lobbying und regelmäßige branchenspezifische Beratung). Erforderlich sind außerdem ein starker Zusammenhalt und eine hohe Professionalität in den Teams für interne Kommunikation und für Weiterbildung innerhalb der Institution.

Diese Aspekte sind entscheidend für den Erfolg institutioneller Strategien, und sie sind auch Gegenstand des Berichts über Rentenkommunikation, den der IVSS-Fachausschuss für Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung im Jahr 2016 veröffentlichte (IVSS, 2016b). In diesem Bericht wird eine wirksame Strategie beschrieben, wie sie von mehreren lateinamerikanischen Ländern eingesetzt wird, so auch von Uruguay, wo eine systematische Partnerschaft mit dem nationalen Bildungssystem eingerichtet wurde, um zu kommunizieren, was soziale Sicherheit ist und wie sie geschützt werden kann.

Ein jüngeres Beispiel ist die Initiative der Aufsichtsbehörde für Renten der Dominikanischen Republik (Superintendencia de Pensiones) zur Förderung der Bildung über Sozialversicherung (Aufsichtsbehörde für Renten, 2020). Sie fördert die soziale Sicherheit als Gemeinschaftsgut, das im gegenseitigen Vertrauen verwaltet wird, welches steigt, wenn die Transparenz erhöht wird und man etwa ein Internetportal mit Zugang zu zentralen Dokumenten zur Leitung und Finanzierung der Institution einrichtet. Auch die Initiative COFEPRES in Argentinien (Föderaler Sozialversicherungsrat, 2020b) ist ein gutes Beispiel; sie folgt den Leitlinien der IVSS über Good Governance, insbesondere Abschnitt A2 über Transparenz.

Schlussfolgerung: Die Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Bezug und die Rolle der Leitlinien der IVSS

Institutionen der sozialen Sicherheit in Amerika setzen im Einklang mit den Empfehlungen der Leitlinien der IVSS unterschiedlichste Maßnahmen gegen Fehler, Hinterziehung und Betrug ein, darunter zukunftsweisende Technologien, systematische Kommunikation und eine verbesserte Abstimmung zwischen den Behörden.

Die Leitlinien der IVSS sind das Ergebnis einer globalen Zusammenarbeit von Institutionen der sozialen Sicherheit, und sie dienen als praktische und informative Referenzdokumente. Gerade im Kontext der Antworten der sozialen Sicherheit auf die COVID-19-Krise, in deren Verlauf Nothilfen erbracht und bestimmte Regeln gelockert wurden, so dass sich Gelegenheiten für Betrug und Bereicherung eröffneten, waren sie ein wichtiges Hilfsmittel. Dieses Thema wurde speziell in einem Webinar zur Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug und deren Anpassung an den COVID-19-Kontext behandelt.

Der anhaltende Erfolg der institutionellen Strategien bei der Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug wird jedoch davon abhängig sein, inwieweit die Institutionen in der Lage sind, laufend neue Betrugsrisiken zu antizipieren und den kriminellen Strategien stets mehrere Schritte voraus zu sein. Neben der Bekämpfung dieser Verstöße in herkömmlichen Beschäftigungsverhältnissen rüsten sich die Institutionen der sozialen Sicherheit derzeit dafür, Hinterziehung und Betrug auch in neuen Arbeitsformen wirksam zu kontrollieren.

Die Leitlinien der IVSS mit ihren zahlreichen Referenzdokumenten werden regelmäßig aktualisiert, um den Institutionen der sozialen Sicherheit bei diesen Anpassungsprozessen eine wertvolle Orientierungshilfe an die Hand zu geben. Die innovativen Lösungen und Beispiele guter Praxis von IVSS-Mitgliedern aus Amerika werden derzeit vom IVSS-Fachausschuss für Beitragseinzug und Einhaltung der Bestimmungen analysiert. Die Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit wurden bereits durch diese Beispiele guter Praxis ergänzt und bieten nun eine noch umfassendere Dokumentation neuer Initiativen zur Bekämpfung von Fehlern, Hinterziehung und Betrug.

Referenzen

Aufsichtsbehörde für Renten. 2020. Fahrplan für die Förderung der Erziehung zur Prävention: Projekte und Initiativen (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Bank für Sozialversicherung. 2016. Integrierte Lösung für die Auswahl von Fällen für die Kontrolle der Sozialversicherungsbeiträge unter Verwendung eines prädiktiven Modells (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Bank für Sozialversicherung. 2017. Profilerstellung für Beitragszahler, ein Verwaltungsinstrument, das das Verhalten der Beitragszahler berücksichtigt (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

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Bundesverwaltung der Staatseinnahmen. 2016. Berechnungssystem für Sozialversicherungspflichten - Modul Inspektionsberichte (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Buzzetti, H.; Vastel, M. 2020. “Ottawa se lance dans la chasse aux fraudeurs de la PCU”, in Le Devoir, 10. Juni.

Ecuadorianische Anstalt für soziale Sicherheit. 2020b. Integriertes Verwaltungsmodell für die Kontrolle von Hinterziehung, Untererklärungen sowie die Bearbeitung von Beschwerden: Fehler, Hinterziehung und Betrug (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Ecuadorianische Anstalt für soziale Sicherheit. 2020a. Verwaltung, Überwachung und Kontrolle der Abkommen mit Inkassostellen zur Mittelrückgewinnung zugunsten der ecuadorianischen Anstalt für soziale Sicherheit (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Föderaler Sozialversicherungsrat. 2020b. Portal für Transparenz: Der Wert offener Daten (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Föderaler Sozialversicherungsrat. 2020a. System für die Beitragskontrolle (SICA): Integriertes System für Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Goveia, L.; Sosa A. 2016. Framework to address error, evasion and fraud in social security systems – A compliance-based approach. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2016a. Leitlinien der IVSS über Kommunikation von Verwaltungen der sozialen Sicherheit. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2016b. Pension communication: Final report. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit – Fachausschuss für Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung.

IVSS. 2019c. Leitlinien der IVSS über Beitragseinzug und Einhaltung der Bestimmungen (Erweiterte Auflage). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2019a. Leitlinien der IVSS über Fehler, Hinterziehung und Betrug in Systemen der sozialen Sicherheit. Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2019d. Leitlinien der IVSS über Good Governance (Überarbeitete Ausgabe). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

IVSS. 2019b. Leitlinien der IVSS über Informations- und Kommunikationstechnologie (Erweiterte Ausgabe). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Landesanstalt für soziale Sicherheit. 2020. Lernpfade (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

Ministerium für Wirtschaft – Sekretariat für soziale Vorsorge. 2020. Maßnahmen-Krisenkabinett (GCD) (Gute Praxis in der sozialen Sicherheit). Genf, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit.

RAND Europe. 2014. The economic cost of social security fraud and error. Brüssel.

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